Alchemie in der Petrischale

Kanadische Forscher haben Hautzellen direkt in Blutzellen umgewandelt, ohne über die Zwischenstufe von Stammzellen zu gehen. Sie hoffen, dass ihr Verfahren später einmal dabei helfen kann, den Engpass bei Blutspenden zu beseitigen.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Beim Umprogrammieren von Körperzellen haben Forscher in Kanada einen weiteren Meilenstein erreicht und menschliche Hautzellen direkt in Blutzellen umgewandelt. Die Forscher um Mickie Bhatia und Eva Szabo von der McMaster University in Hamilton hoffen, dass ihr Verfahren künftig dabei helfen kann, den Engpass bei Blutspenden zu beseitigen und Blutkonserven für Operationen sowie für die Behandlung von Bluterkrankungen herzustellen.

Das Besondere an dem neuen Verfahren ist, dass die Umwandlung ohne die Zwischenstufe von Stammzellen gelungen ist. Bislang mussten die Körperzellen zunächst mit Hilfe von mehreren Genen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen, kurz iPS, umprogrammiert werden. Diese wurden dann mit spezifischen Wachstumscocktails zur Entwicklung zu Blutzellen oder andere Zelltypen angeregt.

Bhatias Gruppe verwendete nur eines der Reprogrammier-Gene namens OCT4. Die Behandlung ließ sogenannte Blutzellen-Vorläufer entstehen: Diese sind weiter entwickelt als Blutstammzellen, haben sich aber noch nicht in drei Zellsorten – rote und verschiedene weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen – differenziert. Diese Spezialisierung erreichten die Forscher, indem sie die Blutzellen-Vorläufer mit verschiedenen Proteinen versetzten, zum Beispiel Zytokinen und dem Hormon Erythropoetin. Ersten Testergebnissen zufolge verrichteten alle fertig entwickelten Blutzellsorten ihre Aufgaben korrekt.

Ein weiterer Vorteil der neuen Methode ist, dass mit ihr gleich erwachsene Blutkörperchen ohne Zellkern erzeugt werden und nicht ihre embryonale Form mit Zellkern wie bei den bisherigen Verfahren mit embryonalen Stammzellen oder iPS. Darüber hinaus schätzen Experten die Gefahr der Tumorbildung aus den umgewandelten Zellen als sehr gering ein.

Die jetzt im Fachjournal „Nature“ publizierten Ergebnissen sind das erste Beispiel für eine direkte Zell-Umwandlung mit menschlichen Zellen. Anfang des Jahres hatten Mediziner der Stanford University im kalifornischen Palo Alto ebenfalls in „Nature“ von der direkten Umprogrammierung von Mäuse-Hautzellen zu Nervenzellen berichtet. Andere Gruppen hatten Mäuse-Hautzellen in Herzmuskelzellen und Fresszellen, eine Immunzellsorte, umgewandelt.

Noch ist unklar, wann die direkt erzeugte Blutzellen an Patienten getestet werden können. So müssen die Forscher zum Beispiel noch abschließend klären, ob die Blutzellen nicht nur äußerlich ihren natürlich entstandenen Vorbildern ähneln, sondern tatsächlich auch die gleichen Gene aktivieren. Darüber hinaus können vorerst noch keine großen Zellmengen erzeugt werden, weil sich die Blutzellen-Vorläufer anders als iPS und embryonale Stammzellen nicht so leicht teilen können.

(vsz)