Alte und neue Welt liefern sich Schlacht um .vin/.wine

.wine oder nicht .wine – das war die Frage auf der 50. Konferenz der ICANN. Regierungsvertreter stritten sich heftig, ob die Top Level Domains .vin und .wine zugelassen werden sollen oder nicht.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der 50. Konferenz der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in London lieferten sich Regierungsvertreter eine harte Auseinandersetzung über die Zulassung der neuen Top Level Domains .vin/.wine. Kern des Streits ist die unterschiedliche Behandlung geographischer Herkunftsbezeichnung (Generic Indications, GI). In Europa sind Champagne, Rioja, Mosel und Chianti geschützt, die USA lehnen diesen dem Markenrecht ähnlichen Schutz – anders als Markenrechte für Unternehmen – rigoros ab. Vertreter europäischer und dreier US-amerikanischer Weinregionen fürchten, ihr Geschäft und Renommé könnte unter dem Vertrieb falsch gelabelter Weine leiden.

Außergewöhnlich harsch kritisierte Damien Coudeville, Internet Governance Advisor im französischen Außenministerium, die Entscheidung des ICANN-Vorstands, die umstrittenen Bewerbungen durchzuwinken. Er bezichtigte Vertreter des Vorstands, die Regierungsvertreter geradezu hinters Licht geführt zu haben. Beim Treffen in Singapur nämlich hätten Vertreter des Vorstands beteuert, die Zulassungsentscheidung sei noch nicht gefallen. Die sei "eine Lüge", sagte Coudeville wenig diplomatisch.

Der französische Diplomat griff gleichzeitig die kanadische Vorsitzende des GAC, Heather Dryden, scharf an. Dryden hatte die Diskussion trotz massiver Kritik der Europäer und der EU Kommission gegenüber dem Vorstand für beendet erklärt – sehr zum Ärger von EU-Kommissarin Neelie Kroes. Überdies habe sich Dryden vor der entscheidenden Sitzung im ICANN-Vorstand, dem sie als GAC-Vorsitzende qua Amt angehört, gedrückt, tadelte Coudeville. "Frankreichs Regierung hat kein Vertrauen mehr in ICANN und die Legitimität dieses Verfahrens", sagte er.

Erik Forsberg von der EU Kommission schlug in die selbe Kerbe: Die Auseinandersetzung um .vin hätte "unser Vertrauen erschüttert", dass ICANN den "Job, öffentliche Interessen zu schützen" richtig wahrnehme. Eine "tiefgreifende Reform der ICANN" sei notwendig, wenn die Organisation sich nicht mehr daran halte, dass sie neben internationalem auch lokales Recht einzuhalten habe. Im übrigen sei die EU bereit, auch auf dem Rechtsweg den Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnungen zu verteidigen, warnte Forsberg.

Der Streit um GIs reicht letztlich bis in die Verhandlungsgremien internationaler Abkommen, wie des Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und in die Foren internationaler Organisationen.

Auf Seiten der USA fürchtet man nach Ansicht der Europäer offenbar, ein Nachgeben bei den Domains könne letztlich ein Einfallstor für den Schutz der Herkunftsbezeichnungen werden – ein Präzedenzfall. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass einer der Bewerber nach anfänglichen Gesprächen mit den Weinproduzenten einen Rückzieher gemacht habe, so Pascal Bobieller-Monnot von der Confédération Nationale des Producteurs de Vin and Eaux-de-Vie de Vin á Appellation d'Origine Controllé (CNAOC). Die USA hätten Druck auf das Unternehmen ausgeübt, versichert Bobeller-Monnot. Die Weinproduzenten hatten gehofft, mit dem Unternehmen Schutzmaßnahmen für die Registrierung von Domains auszuhandeln.

Der Streit um .vin/.wine ist längst nicht das einzige heiße Eisen bei den neuen TLDs. Bittere Klage führte auch ein Vertreter der Kommission der Afrikanischen Union über die Verzögerung der Delegation von .africa. Die Afrika-TLD wurde zwar der Afrikanischen Union zugeschlagen, doch läuft ein Einspruchsverfahren einer konkurrierenden Bewerberin, dessen Ende nicht absehbar sei, so die Kritik der afrikanischen Vertreter. Damit noch nicht genug: Zahlreiche Regierungen haben noch Bedenken, dass von ihnen als unabdingbar betrachtete Schutzmaßnahmen, etwa bei TLDs, die regulierte Bereiche wie Banken oder Kinder und Jugendliche betreffen, noch nicht klar in den Verträgen der ICANN mit den Bewerbern verankert sind. (keh)