Ausländische TV-Serien als Gefahr – China unterwirft Filmportale

China will nicht mehr das Land der Raubkopierer von Filmen und Serien sein. Portale im Internet zahlen für Ausstrahlungsrechte. Millionen schauen zu. Nun werden die Anbieter aber Chinas Behörden zu mächtig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Stephan Scheuer
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Auf einer Dachterrasse eines Pekinger Wolkenkratzers feiert Chinas Filmindustrie. Lachend stehen Filmstars mit Sektgläsern zusammen. Sie alle umschwärmen den Gastgeber des Abends: Charles Zhang. Der Millionär krempelt mit seiner Firma Sohu das Filmgeschäft in China um. Mit seinem Internetportal bringt er ausländische Fernsehserien zu den mehr als 600 Millionen Internetnutzern nach China. Millionenfach werden die Serien täglich geklickt. Charles Zhang will das klassische Fernsehen überflüssig machen. Viele trauen ihm das zu. Damit rüttelt er jedoch am eingespielten Zensurmodell für Fernsehprogramme.

Welche Filme und Serien kommen nach China?

Der Erfolg hat Chinas oberste Medienbehörde auf den Plan gerufen. Das Amt für Presse, Veröffentlichungen, Radio, Film und Fernsehen hat am Freitag strengere Regeln angekündigt. Vom kommenden April an sind neue Lizenzen für die Ausstrahlung von ausländischen Filmen und Serien nötig. Wie und nach welchen Regeln sie vergeben werden, wurde zunächst nicht veröffentlicht. Zur Begründung teilt die Behörde nur vage mit: "Die chinesische Kultur und Traditionen sollen vorangebracht werden." Das Amt war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Filmportale wie Sohu oder dessen Konkurrent Iqiyi sind sehr mächtig geworden. "Deshalb wollen die Behörden sie nun ihrer Kontrolle unterwerfen", sagt der bekannte chinesische Blogger Michael Anti der Nachrichtenagentur dpa. Beim Fernsehen sind die Abläufe genau eingespielt. Programme müssen vor der Ausstrahlung genehmigt werden. Zensoren prüfen Inhalte. Im Internet gibt es zwar auch Kontrollen, aber die Regelungen lassen viel mehr Freiheiten – bisher zumindest.

Das Modell der Filmportale wie Sohu oder Iqiyi gilt als Erfolg. In der Vergangenheit wurden viele internationale Filme und Serien einfach illegal im Internet ausgestrahlt. Aber Firmen wie Sohu gingen einen neuen Weg: Sie bezahlten für die Ausstrahlungsrechte an Produktionsfirmen in den USA und Europa. Anschließend verklagten sie nach und nach alle Portale in China, die weiterhin illegal Serien anboten. Mittlerweile sind fast alle unrechtmäßigen Portale verschwunden. Mit Werbung und Abo-Modellen wollen Sohu und Iqiyi Geld verdienen.

Der Online-Filmmarkt verspricht ein großes Geschäft. Im Jahr 2013 kletterten die Einnahmen aus den Filmportalen in China im Jahresvergleich um rund 42 Prozent auf rund 13 Milliarden Yuan (1,6 Milliarden Euro), wie das Branchenunternehmen Iresearch in Shanghai ausgerechnet hat. In diesem Jahr soll das Geschäft laut deren Prognose um rund 39 Prozent wachsen. Bis zum Jahr 2017 soll sich der Markt verdreifachen.

Aber die neuen Regeln könnten das Geschäft zum Erliegen bringen. Denn gerade internationale TV-Serien und Filme treiben die Klickzahlen im Internet. Eine Sohu-Sprecherin wimmelt am Freitag telefonisch ab: "Wir beobachten alle Entwicklungen genau. Derzeit wollen wir uns aber nicht dazu äußern." Ein Sprecher von Iqiyi sagt: "Noch sind viele Details unklar. Wir wissen noch nicht, welche Bedingungen für die Erteilungen der Ausstrahlungsgenehmigungen nötig sind." Von einem Ende des Geschäftsmodells will er nicht reden. "Wir müssen erst mal abwarten."

Das sieht der politische Aktivist und Kommentator Michael Anti anders: "Das System wird von den neuen Regeln zerstört." Die Journalismus-Professorin Zhong Xin von der Volksuniversität sieht in der Behördenankündigung eine Form von Protektionismus: "Die Regeln für Ausstrahlungen im Internet sollen chinesische Medien schützen." Die Regeln könnten nur der Anfang sein. Die Zeitung Nanfang Dushibao hatte vor wenigen Wochen berichtet, dass die Medienbehörde künftig Obergrenzen für die Zahl von ausländischen Serien auf chinesischen Internetplattformen festlegen will.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Medienbehörde ihre Befugnisse auf das Internet ausweitet. Im April hatte sie die Ausstrahlung von in China sehr beliebten US-Fernsehserien wie "The Big Bang Theory" und "The Good Wife" verboten. Im Juli waren weitere US-Serien von bekannten Filmportalen verschwunden. Wieder sollen Beamte die Schritte angeordnet haben. Vielleicht könnten internationale Fernsehserien bald in China komplett verboten werden. (mho)