Bitkom sieht Deutschland beim Breitbandausbau in der Spitzengruppe

Der Branchenverband zieht anhand von Zahlen der EU-Statistikbehörde eine positive Zwischenbilanz, die Netzbetreiber haben demnach rasant investiert. Das steht zwar außer Frage, doch viele Nutzer dürften sich in der Statistik dennoch nicht wiederfinden.

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Nach einem Zwischenfazit des Branchenverbands Bitkom könnte man meinen, Deutschland sei eine blühende Breitbandlandschaft: Beim Breitbandausbau habe die Bundesrepublik "in den letzten Jahren rasant aufgeholt" und "schnelles Internet gehört für die meisten inzwischen zum Alltag", liest die Bitkom aus aktuellen Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat heraus. Als Beleg für ihre Bewertung führt die Bitkom unter anderem auf, dass "85 Prozent der Haushalte hierzulande einen Breitband-Anschluss nutzen". Vor fünf Jahren waren es noch 55 Prozent.

Eurostat legt auch diverse weitere Zahlen für Länder der EU vor. In diesem Vergleich liegt Deutschland in der Spitzengruppe auf Platz 5, nur drei Prozentpunkte hinter dem Spitzenreiter Finnland (aktuelle Zahlen für Schweden fehlen freilich). In Finnland haben 88 Prozent der Haushalte Breitbandanschlüsse. Im Jahr 2008 lag Deutschland mit 55 Prozent Breitbandanschlüssen noch abgeschlagen auf Platz 9, deutlich hinter dem damaligen Spitzenduo Dänemark und Niederlande (je 74 Prozent). "Seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes 1998 haben die Netzbetreiber mehr als 100 Milliarden Euro in die Netze investiert. Von diesen Investitionen profitieren die Kunden mit schnelleren Verbindungen bei gleichzeitig gesunkenen Preisen", kommentiert Bitkom-Präsident Prof. Dieter Kempf.

Die EU-Statistikbehörde Eurostat hat einen Vergleich der EU-Länder hinsichtlich des Breitbandausbaus gezogen. Der Bitkom-Verband hat einige der Daten zur obigen Grafik zusammengefasst. Die Methodik lässt zu wünschen übrig, denn wesentliche aktuelle Kriterien der Bewertung von Breitbandanschlüssen sind nicht eingeflossen.

Nichts neues erzählen Eurostat und Bitkom hinsichtlich der Anwendung der Breitband-Anschlüsse: "Sie verbinden längst nicht mehr nur den heimischen Computer mit dem Internet. Über sie werden immer mehr auch Telefonate abgewickelt, das Fernsehprogramm empfangen, Musik und Radioprogramme abgespielt oder Haushaltsgeräte gesteuert (Smart Home). Mittlerweile sind hierzulande für mehr als 99 Prozent aller Haushalte Internet-Zugänge mit einer Bandbreite von mindestens 1 MBit/s verfügbar, mehr als 90 Prozent erreichen mehr als 6 MBit/s." Das klingt von der Tendenz her optimistisch, zumal, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Breitbandausbau ganz langsam erst zur Jahrtausendwende mit dem Einsatz der DSL-Technik begonnen hat.

Deshalb geben die Zahlen zunächst auch Anlass zum Optimismus: Im EU-Durchschnitt nutzen aktuell rund drei Viertel (76 Prozent) der Haushalte Breitbandanschlüsse. Neben Finnland finden sich Dänemark, das Vereinigte Königreich sowie die Niederlande in der Spitzengruppe (je 87 Prozent). Am unteren Ende rangieren Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Aber auch dort nutzen mehr als die Hälfte der Haushalte inzwischen Breitband-Anschlüsse.

Die Methodik der EU-Statistiker, die Bitkom schon leicht hinterfragt, sollte jedoch zu denken geben: "Eurostat führt jährliche Erhebungen zur ITK-Nutzung in Haushalten und in Unternehmen durch. "Breitband" richtet sich laut Eurostat nach der Art der Internet-Verbindung, nicht nach der Geschwindigkeit. Zu den Breitband-Technologien gehören beispielsweise DSL, ADSL, VDSL, Kabel, Satellit sowie UMTS oder LTE, falls mobiles Breitband vor Ort verfügbar ist und die zur Nutzung notwendigen Voraussetzungen."

Damit dürfte den Nutzern, die sich in der Statistik nicht wiederfinden, einleuchten, weshalb sie sich trotz Buchung einer modernen Anschlusstechnik nicht mit Breitband versorgt fühlen – Eurostat hat seinen Begriff vom "Breitbandanschluss" offenbar nicht an aktuelle Anforderungen und Marktgegebenheiten angepasst. Wer Dienste wie TV- und Musikempfang buchen will, richtet sich nicht allein nach dem Namen der Anschlusstechnik, sondern zieht als Kriterien durchaus die Datenrate eines Anschlusses und inzwischen auch den Tarif heran. Selbst schnelle Anschlüsse sind ja für TV- oder Musik-Streaming kaum geeignet, wenn ein Tarif das Übertragungsvolumen auf wenige GByte pro Monat deckelt.

Solche Gesichtspunkte mitberücksichtigt, wären die Zahlen von Eurostat nicht mehr ganz so schön, wiewohl sie langfristig gesehen Anlass zur Freude geben. Um sie auf Normalmaß zu schrumpfen, genügt es nämlich, sie zu den aktuellen Ausbauplänen der Bundesregierung in Beziehung zu setzen: Bis 2018 soll es in Deutschland flächendeckend Internetanschlüsse mit mindestens 50 MBit/s geben. (dz)