Bundestag und Experten irrlichtern ums Urheberrecht
Im Streit um einen besseren Schutz der Urheberrechte im Netz bleiben die Fronten verhärtet. Bei einer Anhörung im Unterausschuss "Neue Medien" des Bundestags wurden die bekannten Argumente vorgebracht.
Bei einer Anhörung im Bundestag zum Urheberrechtsschutz im Netz am Montag blieben die geladenen Experten erwartungsgemäß uneins. Der Vorsitzende des Unterausschusses "Neue Medien", Sebastian Blumenthal (FDP), hatte vor der Sitzung gegenüber heise online noch die Hoffnung geäußert, dass "Chancen und Potenziale digitaler Geschäftsmodelle inklusive erste Erfahrungswerte" bei der Expertenanhörung im Vordergrund stehen sollten und nicht "allein restriktive Ansätze". Doch in der Sitzung unter dem Motto "Vermarktung und Schutz kreativer Inhalte im Internet" stand dann erst einmal die Frage der Rechtsdurchsetzung im Mittelpunkt – insbesondere die Idee, dass Internet Service Provider Warnhinweise bei Urheberrechtsverstößen einblenden könnten.
Der Fachanwalt Dieter Frey monierte, dass die von einem Gutachten für das Wirtschaftsministerium skizzierte Idee eines Warnhinweismodells unausgegoren sei und als freiwilliges Modell in Folge der verfassungsrichterlichen Rechtsprechung nicht ohne gesetzliche Eingriffsgrundlage machbar wäre. Rolf Schwartmann, vielkritisierter Autor des Gutachtens, betonte dagegen, dass er die Provider nicht zu "Hilfssherriffs", sondern zu "Boten" machen wolle.
Der stellvertretende Vorsitzende des Internetwirtschaftsverbands Eco Oliver Süme wies daraufhin, dass Rechteinhaber eigentlich auch heute schon Warnhinweise verschicken könnten und nicht zwangsläufig abmahnen müssten. Florian Drücke vom Bundesverband Musikindustrie betonte, dass die französische Three-Strikes-Lösung keine Blaupause für Deutschland sei. Allerdings müsse man natürlich nach Wegen zur angemessenen Rechtsdurchsetzung suchen. Ob derzeit kursierende Zahlen zu den Umsätzen durch Abmahnungen richtig seien, wollte Drücke nicht inhaltlich kommentieren: "Diese ganze Frage, wie viel da umgesetzt wird, blendet vollkommen aus, was das kostet, die Ermittlung beispielsweise." Es sei wirtschaftlich aber nicht machbar, einfach Warnhinweise statt Abmahnungen zu verschicken.
Der Sprecher des Chaos Computer Club Frank Rieger betonte, dass die Ermittlung von IP-Adressen unzuverlässig sei. Die Fehlerquote schätze der CCC auf 8 bis 10 Prozent, die teils technisch bedingt wären, aber teils auch einfach von den IP-Adressermittlern "schlampig verarbeitet" würden. "Das Risiko, Opfer einer falschen Verdächtigung zu werden, würde im Warnhinweismodell erhöht werden", sagte Rieger. Es sei keine technische Frage, ob man das Netz zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen zwangskontrollieren wolle, sondern eine politische – und für ihn eine inakzeptable.
Die vordergründig zahme Debatte unterschied sich jedoch maßgeblich vom Tonfall der schriftlich eingereichten Stellungnahmen: hier beharrten alle Seiten unbeirrt und unabhängig von der rechtlichen Machbarkeit auf ihren Maximalpositionen. [Update: So forderten der von den Grünen benannte Sachverständige Reimut van Bonn, Musiker und Mitarbeiter des Verbands unabhängiger Musikunternehmen (VUT), sowie Christian Sommer (Warner Bros) und Drücke die Zugangs- und Hostinganbieter in die Pflicht zu nehmen; Warner Bros und Bundesverband Musikindustrie können sich dabei auch den Einsatz von Deep Packet Inspection gegen Urheberrechtsverletzungen vorstellen.]
FĂĽr den CDU-Abgeordneten Thomas Jarzombek hatte sich in der Sitzung jedoch eines als eindeutig herausgestellt: "Ohne Gesetz wird es kein Warnhinweismodell geben." AuĂźerdem seien "Warnhinweise ohne Sperrungen kein emotionales Streitthema mehr", sagte er gegenĂĽber heise online.
In einem zweiten Teil der Anhörung sollte es um die Zukunft der Kreativwirtschaft gehen. Doch die angedachte grundsätzliche Diskussion fiel sehr kurz aus und konnte nur wenig Neues beitragen: zwar nannten die Experten einige Modelle wie die Musik-Abonnementdienste Spotify oder Simfy, den US-Videodienst Hulu und die britische Plattform Findanyfilm.com, aber beispielsweise im Buchbereich konnten die Experten wenig taugliche neue Möglichkeiten in der Digitalisierung identifizieren. (vbr)