Causa Assange: Ecuador sucht Dialog mit GroĂźbritannien

Trotz der "Unverschämtheit Großbritanniens und der groben und unannehmbaren Drohung" möchte Ecuadors Präsident die Lage um den in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchteten Wikileaks-Gründer im Dialog lösen.

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Von
  • JĂĽrgen Kuri

Auch angesichts des Streits mit London über den Fall Assange ist Ecuador weiterhin zu Gesprächen mit der britischen Regierung bereit, sagte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa laut dpa. Trotz der "Unverschämtheit Großbritanniens und der groben und unannehmbaren Drohung" wünsche er, die angespannte Lage um den in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchteten Wikileaks-Gründer Julian Assange im Dialog zu lösen, erklärte Correa vor der Presse in Guayaquil.

Auch bestehe weiterhin das Angebot Ecuadors, der schwedischen Staatsanwaltschaft Zugang zu Assange in der Londoner Botschaft von Ecuador zu erlauben, um ihn wegen des Verdachts auf Sexualdelikte zu vernehmen, versicherte Correa. Assange würde auf das von Quito gewährte Asyl verzichten und sich der schwedischen Justiz zur Verfügung stellen, falls er freies Geleit bekomme und Schweden seine Auslieferung an Drittländer ausschließe. Andernfalls könne er auch unbefristet in der Botschaft bleiben.

Rechtsexperten bezweifeln allerdings, dass Schweden solche umfassenden Garantien überhaupt abgeben kann; auch eine Befragung in der Botschaft in London erscheint demnach kein gangbarer Weg zu sein. Immerhin hat Schweden bereits versichert, dass es keine Auslieferung Assanges an die USA geben werde, wenn in dem dann anstehenden Verfahren die Todesstrafe drohen könnte. Eine Auslieferung sei auf jeden Fall nur dann möglich, wenn keine Gefahr für das Leben des Gefangenen bestehe; dies verlange auch die Grundrechte-Charta der EU, hieß es aus Schwedens Justizministerium. Allerdings gibt es bislang von den USA weder gegenüber Schweden noch gegenüber Großbritannien überhaupt ein Auslieferungsersuchen.

Der Fernsehsender Ecuavisa berichtete, Ecuadors Vizepräsident Lenín Moreno wolle am 28. August Assange im Botschaftsgebäude besuchen. Assange hält sich seit mehr als zwei Monaten in der Londoner Botschaft Ecuadors auf, um seiner Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Er befürchtet, von dort in die USA ausgeliefert zu werden. In den USA droht ihm nach eigener Einschätzung eine Verurteilung wegen Geheimnisverrats. Diese kann nach US-Gesetzgebung maximal die Todesstrafe, aber auch lebenslange Haft nach sich ziehen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte Zehntausende geheimer US-Depeschen veröffentlicht; Assange hatte am Sonntag in einer Rede vom Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London die USA aufgefordert, die "Hexenjagd auf Wikileaks" einzustellen und den angeblichen Whistleblower Bradley Manning freizulassen.

Assange steht im Verdacht, in Schweden zwei Frauen sexuell belästigt und in einem Fall sogar vergewaltigt zu haben. Assange soll zur Befragung nach Schweden ausgeliefert werden; eine Anklage gibt es bislang zwar nicht, könnte aber in Folge der Befragung jederzeit erhoben werden. Assange soll im August 2010 mit zwei Frauen Geschlechtsverkehr gehabt haben und dabei gegen deren Willen kein Kondom benutzt haben. Die schwedische Staatsanwaltschaft geht in einem der Fälle von Vergewaltigung aus. Assange bestreitet die Vorwürfe. Er vermutet einen Komplott; in einem anderthalbjährigen Prozessmarathon hatte Assange erfolglos versucht, die Auslieferung an Schweden zu verhindern. Danach hatte er sich in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet und um Asyl ersucht, das Ecuador auch gewährte. Großbritannien besteht aber weiterhin auf der Auslieferung an Schweden, was bereits zu einigen diplomatischen Verwicklungen und Solidaritätserklärungen lateinamerikanischer Staaten mit Ecuador geführt hat.

[Update 22.08.2012 15:15]:

Im schwedischen Haftbefehl gegen Assange, der zuletzt Ende 2010 vom zuständigen schwedischen Oberlandesgericht bestätigt wurde und auf den sich sowohl der Eintrag in die Interpol-Fahndungsliste als auch das Auslieferungsersuchen Schwedens an Großbritannien stützen, hielten die Richter als Anschuldigungen zwei Belästigungsvorwürfe und den Verdacht der "Vergewaltigung in einem minder schweren Fall" fest. Die Staatsanwaltschaft erhob zuvor den schärferen Vorwurf der Vergewaltigung, der sexuellen Belästigung und der sexuellen Nötigung. (jk)