Commons-Bewegung drängt in die Politik
Von der kommunalen Wasserversorgung bis zu den Fischbeständen der Weltmeere – die Bewegung für Gemeingüter tritt für einen dritten Weg zwischen Privateigentum und Staatsbesitz ein. Ihre Thesen finden auch Anklang in der Politik.
Überholtes Relikt der Vergangenheit oder Zukunftskonzept? Die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern war vor dem Kapitalismus ein vertrauter Bestandteil des Alltags, etwa auf der Allmende, der Gemeindeweide für die Schafe im Dorf. Auch Wasser und Luft gelten seit jeher als Gemeingüter. Die Bewegung der Commons empfiehlt das Konzept jenseits von Staats- und Privatbesitz als Lösung für Zukunftsprobleme. Neue Impulse kommen aus dem Internet, von freier Software und freien Inhalten. Während einer Buchvorstellung in Berlin bekannten sich auch Vertreter der Grünen und der Piratenpartei zum Commons-Konzept.
"Wir nähern uns diesem Thema von der Seite der natürlichen Commons", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Klimaschutzexperte Hermann Ott am Montagabend auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung seiner Partei. "Wirtschaften ist Austausch mit der Natur, mit der Erde, diese darf dabei nicht vor die Hunde gehen." Für die Piratenpartei sagte Fabio Reinhardt, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus: "Die Piraten zielen auf allen Ebenen auf den Teilhabe-Aspekt ab."
Die Publizistin Silke Helfrich stellte in Berlin einen Sammelband (kostenloser Download) mit Beiträgen von 90 Autoren aus rund 30 Ländern vor, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen "ein modernes Konzept der Commons" präsentieren. "Commoning in seiner einfachsten Form ist es, Dinge gemeinsam zu nutzen und zu pflegen", so Helfrich. Die These, dass Gemeingüter von einzelnen gierigen Nutzern missbraucht und schließlich entwertet würden, treffe nicht zu. Der Fortbestand einer gemeinsamen Nutzung sei im Interesse aller und werde daher von diesen mit Hilfe eigener Regeln sichergestellt.
"Wer aus der Allmende schöpft, muss in die Allmende zurückgeben", sagte Helfrich. Das zeige sich auch bei der Software, "dem wichtigsten Produktionsmittel der Zukunft". Open-Source-Entwickler nutzen den freien Quellcode von Programmen und ergänzen diesen um neue Funktionen. Das Lizenzkonzept der Creative Commons übertrage dieses Konzept auch auf Bücher, Fotos und Filme. Die Commons-Bewegung ziehe ihre Kraft aus der "Vision einer lebenswerten Welt, in der niemand ausgeschlossen wird, in der die Entfaltung der anderen Voraussetzung für die eigene Entfaltung wird", sagte Helfrich, die den Sammelband "Commons" zusammen mit der Heinrich-Boell-Stiftung herausgegeben hat.
Wie das für praktische Politik genutzt werden könnte, führte der Grünen-Abgeordnete Ott aus. Im ganzen Land gebe es Initiativen, die Infrastruktur wieder in die Hand der Bürger zu bringen, auch die Energienetze. Ott bezeichnete RWE, Eon, Vattenfall und EnBW als "die vier Besatzungsmächte" und sagte: "Wir werden dafür sorgen, dass diese monopolartigen Strukturen aufgebrochen werden und wir den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, die Netze selbst zu kaufen."
Kommunale Strukturen seien der erste Ansatzpunkt, um Commons-Konzepte zu verwirklichen, sagte Helfrich. Aber auch auf globaler Ebene sei dies für ein nachhaltiges Wirtschaften unerlässlich. Als Beispiel nannte sie die Überfischung der Weltmeere. In der Diskussion fragte ein Online-Teilnehmer, ob nicht eigentlich der Staat in diesem Seine eine Allmende, ein allgemeines Anliegen sein sollte. Helfrich antwortet, ja es sei für die Bürger an der Zeit, sich auch den Staat wieder anzueignen. (anw)