Computerspiele mit billigem Hollywood-Sound

Auf der Soundtrack_Cologne in Köln trafen sich am Wochenende auch Komponisten, die Computerspiele vertonen: "Man soll immer Hollywood-Standard liefern, aber bezahlt wird man wie in einer Fast-Food-Kette."

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Von
  • Georg Immich

Am Sonntag ging in Köln der parallel zur Next Level Conference 2011 veranstaltete Kongress für Filmmusik SoundTrack_Cologne zu Ende. Neben den bereits etablierten Programmteilen zur Filmmusik ging es in diesem Jahr zum ersten Mal ausführlich auch um Soundtracks von Videospielen. Die Komponisten Jeff Rona, Borislav Slavov, Joris de Man und Chris Hülsbeck waren in Köln zu Gast und diskutierten mit anderen Branchenvertretern über die Entwicklung des Genres und die Urheberrechtsreform in Europa.

Festivalleiter Michael P. Aust mit den Komponisten Chris Hülsbeck, Borislav Slavov, Jeff Rona und Joris de Man bei der Eröffnung des Festivals. (v.l.n.r.)

(Bild: G. Immich/heise online)

Der junge bulgarische Komponist und Programmierer Borislav Slavov zeigte am Beispiel seiner Arbeit für "Crysis 2", wie der Soundtrack mit einem Layer-Verfahren interaktiv an das Spielgeschehen angepasst werden kann. Dazu hatten er und sein Co-Komponist Tilman Sillescu die Spielsituationen in die vier Stufen "Ambient", "Tension", "Action" und "Frantic" eingeteilt. Anders als bei der Block-Building genannten Methode werden für die verschiedenen Stufen keine eigenen Themen eingespielt. Stattdessen nahmen Slavov und Sillescu ein einfaches Grundthema, das für die höheren Intensitätsstufen mit jeweils weiteren Instrumenten, Stimmen und Samples überlagert wurde.

Bei PC-Spielen ist dieses Layer-Verfahren gut einsetzbar, es eignet sich aber wegen der fehlenden Streaming-Kapazitäten nicht für Konsolenspiele. Weil der studierte Informatiker Slavov bei anderen Projekten Probleme mit der Implementierung seiner Musik in die Spiele erlebte, sodass die Musik teilweise von Geräuschen überlagert wurde oder in ungeplanten Situationen ertönte, hat er sich auch in die Programmiertechnik der Implementierung eingearbeitet. So habe er die Intensität der Tondramaturgie erhöhen können, erläuterte Slavov in Köln – aber dafür benötigt man natürlich Programmierkenntnisse, über die nur wenige Musiker verfügen.

Mit der Block-Building-Methode verfolgt der Komponist von "Killzone", der Niederländer Joris de Man, einen ganz anderen Ansatz. Er schreibt viele verschiedene Motive, am besten mit unterschiedlichen Rhythmen, sodass die Musik nicht eintönig oder repetitiv wirkt. Damit der Übergang zwischen den einzelnen Blöcken nicht zu ruckartig erfolgt, nimmt er immer noch zwei Takte Nachhall mit auf. Zusammen mit einer Überblendung ergibt sich dadurch ein fließender Übergang zwischen den Blöcken. Viele Games-Komponisten konzentrieren sich nach de Mans Ansicht zu sehr auf die Actionszenen und vernachlässigen dabei das Setzen von emotionalen Punkten und Akzenten.

Komponisten und Vertreter der Standesorganisationen beklagten in Köln die bescheidene Vergütung für Kompositionen für die Spielebranche, während Programmierer und Designer teilweise Gewinnbeteiligungen erhielten. "Man soll immer Hollywood-Standard liefern, aber bezahlt wird man wie in einer Fast-Food-Kette", brachte Alex Pfeffer vom Mainzer Spielemusikspezialisten Dynamedion die Situation in Europa auf den Punkt.

Hinzu kommt, dass Spieleproduzenten in Europa keine Komponisten beschäftigen, die Mitglied von Verwertungsgesellschaften wie der GEMA sind. Dadurch können Games-Komponisten nicht wie andere Musiker Nebeneinnahmen durch Tantiemen erzielen. Der deutsche Spielemusik-Pionier Chris Hülsbeck, der in Köln einen Einblick in die Spannweite seiner Karriere von 4-Bit-Samples für den Commodore C64 bis zur Arbeit mit Symphonieorchestern gab, berichtete aus den USA von ganz anderen Zuständen. Dort teilen sich Publisher und Komponisten die Ausschüttungen im Verhältnis 50 : 50. Zu Anfang seiner Zeit in den Vereinigten Staaten sei er daher von einem Paramount-Manager explizit angesprochen worden, warum er denn noch nicht Mitglied der Verwertungsgesellschaft ASCAP sei.

Für die Reform des EU-Urheberrechtes forderte Johan van der Voet (BCMM – niederländischer Verband der Medienkomponisten) von der Politik eine gerechtere Aufteilung der Einnahmen zwischen Industrie und Autoren. Micki Meuser, Vorsitzender des deutschen Filmkomponistenverbandes Defkom, verwies auf eine Beteiligung an den steigenden Einnahmen aus Online-Werbung, wie sie zum Beispiel Youtube oder Google erwirtschaften. "Die Geschäftsmodelle ändern sich gerade, und die Komponisten brauchen einen Anteil an den Online-Gewinnen, sonst sind wir in ein paar Jahren nur Hobbymusiker und fahren dann hauptberuflich Taxi", mahnte Meuser. (vbr)