Darmstadt: Kinderporno-Prozess vorerst geplatzt

Wegen der Befangenheit einer Schöffin ist am Mittwoch einer der größten Prozesse wegen Verbreitung von Kinderpornografie geplatzt. Vor dem Landgericht Darmstadt müssen sich neun mutmaßliche Betreiber eines Servers verantworten, über den Kinderpornos ausgetauscht wurden.

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Von
  • Torsten Kleinz

Wegen der Befangenheit einer Schöffin ist am Mittwoch einer der größten Prozesse wegen Verbreitung von Kinderpornografie geplatzt. Vor dem Landgericht Darmstadt müssen sich neun mutmaßliche Betreiber eines Servers verantworten, über den Kinderpornos ausgetauscht wurden. Das Verfahren wird nun in zwei Wochen neu begonnen.

Grund für den Verhandlungsabbruch war die Äußerung einer Schöffin. Als einer der Verteidiger die Strafkammer in einem Gespräch am Dienstag um eine Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten bemüht hatte, soll sich die Laienrichterin voreingenommen geäußert haben: "Ja, wo sind wir denn? In einem Pädophilen-Prozess. Die haben Straftaten begangen." Der Beklagte befürchtete daraufhin, dass die Schöffin bereits ihr Urteil gefällt hatte, bevor die Beweisaufnahme gegen ihn begonnen hatte. Zudem lege die Äußerung nahe, dass die Schöffin Pädophile strafwürdiger als andere Straftäter ansehe. Nach ausführlicher Beratung gab die Dritte Strafkammer dem Befangenheitsantrag statt.

Strafverteidiger Martin Nitschmann hob im Gespräch mit heise online hervor, dass sein Mandant in der Untersuchungshaft bedroht sei, seit die "Bild"-Zeitung in der vergangenen Woche Bilder von allen neun Angeklagten veröffentlicht und dabei auf jede Unkenntlichmachung verzichtet hatte. Die Angeklagten sitzen bereits seit Ende September 2009 in Haft.

Den neun Männern im Alter zwischen 30 und 58 Jahren wird vorgeworfen, gemeinsam ein Forum zum Austausch von Kinderpornografie betrieben zu haben. In dem kostenlosen Forum unter dem Namen "Sonneninsel" sollen zirka 500 Mitglieder Links zu kinderpornografischem Material ausgetauscht haben. Damit sei der Straftatbestand der "bandenmäßigen Drittbesitzverschaffung" erfüllt, erklärten die Anklagevertreter.

Obwohl viele Teilnehmer dieses Boards versucht hatten, ihre IP-Adressen zu verschleiern, konnte die Polizei 140 Teilnehmer ermitteln. Dazu gehörten auch die neun Angeklagten, die als Administratoren tätig gewesen sein sollen. "Bei der Ermittlung der Täter wurden auch Daten aus Vorratsdaten verwendet", erklärte Oberstaatsanwalt Andreas May im Gespräch mit heise online. Ohne diese Daten sei es nur schwer möglich, Täter nachträglich zu identifizieren.

Zwei der Angeklagten wird neben Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie auch vorgeworfen, Kinder missbraucht zu haben. Eines der mutmaßlichen Opfer wohnt dem Prozess als Nebenklägerin bei. Der Angeklagte entschuldigte sich bereits vor Gericht und kündigte ein umfassendes Geständnis an. Nach Erkenntnissen der Ermittler hat keiner der Administratoren selbst kinderpornografische Bilder produziert, sie trugen aber die Bilder und Filme von Kindesmissbrauchsfällen zusammen und tauschten diese mit anderen Konsumenten.

Am Dienstag hatte sich der erste Angeklagten zur Sache geäußert. Er gab an, bereits seit 1998 kinderpornografische Darstellungen aus dem Usenet heruntergeladen zu haben. Als die Polizei seine insgesamt zehn Rechner beschlagnahmte, habe er über einen Bestand von zirka einer Million Dateien verfügt. Als ihm der Richter vorhielt, dass unter den Dateien auch Bilder von missbrauchten Säuglingen zu finden waren, erklärte der Bundeswehr-Angestellte, sich an solche Motive nicht zu erinnern: "Ich hatte schon lange den Überblick verloren". Um seine Datenbestände zu organisieren, hatte er sogar einen Server aus Bundeswehr-Beständen gestohlen.

"Dass es sich dabei um dokumentierten Kindesmissbrauch handelt, war mir schon bewusst", erklärte der Angeklagte vor Gericht. Anfangs sei er davon ausgegangen, dass die Bilder sowieso vorhanden seien – Geld habe er für das Material nie bezahlt. Erst nach einer Verhaltenstherapie habe er erkannt, dass er mit seinen Aktivitäten auch die Nachfrage nach solchen Dokumenten ankurbele und versucht, sich aus dem Sonnenschein-Board zurückzuziehen. (hob)