Digitale Agenda der Koalition "nicht der große Wurf"
Die rot-schwarzen Pläne für IT-Branche und Telekommunikation bleiben hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurück. Die große Frage ist, wie das Ziel des Breitbandausbaus bis 2018 ohne Fördermittel erreicht werden soll.
Mit "gemischten Gefühlen" reagieren Vertreter aus IT- und TK-Wirtschaft auf den von Union und Sozialdemokraten am Mittwoch geschlossenen Koalitionsvertrag. "Der Koalitionsvertrag ist für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft nicht der große Wurf“, kommentiert Bitkom-Präsident Dieter Kempf das Vertragswerk. "In den vorbereitenden Fachgruppen sind viele zukunftsweisende Vorschläge gemacht worden, die es allzu oft aber nicht in den Koalitionsvertrag geschafft haben", bedauert der Verbandschef.
Ein Stein des Anstoßes: Die von Schwarz-Rot wieder gestrichenen Milliarden für den Breitbandausbau. Nicht nur für den Bitkom, auch für den Bundesverband Glasfaser (Buglas) ist das eine bittere Pille. "Wer eine so teure Musik bestellt, sollte auch bereit sein, den einen und anderen Euro selbst in die Jukebox zu stecken", mein Buglas-Chef Wolfgang Heer im Hinblick auf das von Berlin gesetzte Ziel, bis 2018 flächendeckend mit 50 Mbit/s auszubauen. Die im Koalitionsvertrag genannte "Premiumförderung Netzausbau" und die geplanten Bürger-Fonds gingen zwar in die richtige Richtung, müssten ihre Tauglichkeit aber noch unter Beweis stellen.
Auch Netzbetreiberverbände wie der Breko und der VATM vermissen die Förderung des Breitbandausbaus. Bei einem so wichtigen Projekt sei eine Förderung aus Steuermitteln auch gerechtfertigt, meint VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Der Verbandschef zeigt sich dennoch erleichtert, dass der "schlimmste Unsinn verhütet" werden konnte: Die von der CSU und mutmaßlich auch der Telekom angestoßenen Unionspläne für regionale Regulierungsausnahmen haben es nicht in das Abschlusspapier geschafft. Beim Buglas ist man zudem froh, dass die Koalition auf die Einführung einer Universaldienstverpflichtung für Breitbandanschlüsse verzichtet hat: "Das hätte die ohnehin knappen Ressourcen insbesondere im Tiefbau weiter verteuert und fehlgeleitet."
Der Verband begrüßt zwar das Bekenntnis der künftigen Regierung zu "Industrie 4.0" und die Ankündigung einer „Digitale Agenda 2014-2017“, kritisiert aber zugleich die Pläne, die Haftungsgrenzen für Provider neu zu ziehen. "Die neue Bundesregierung hat die Bedeutung der digitalen Wirtschaft für Deutschland zwar erkannt, stellt dafür aber nicht die notwendigen Mittel bereit. Hier muss schnellstmöglich nachgebessert werden“, zieht Kempf eine durchwachsene Bilanz des Koalitionsvertrags. Der Bitkom-Chef bekräftigt dabei auch die Forderung der Hightech-Branche nach einem ständigen netzpolitischen Forum.
Damit ist ein Bundestagsausschuss "Internet und digitale Gesellschaft" gemeint, wie ihn schon die gleichnamige Enquete-Kommission und das Parlament gefordert haben. "Der Bundestag braucht ein Forum, in dem aktuelle und strategische Themen der Netzpolitik diskutiert und vorangetrieben werden können", meint Kempf. Von einem Bundesminister für Digitales wagt die Branche noch nicht zu träumen. Vielleicht wird es ja ein Staatsminister für die digitale Agenda im Bundeskanzleramt oder ein Staatssekretär in einem Ministerium. Das ist eine Frage des Ressortzuschnitts, über den die Koalitionspartner sprechen wollen, wenn die SPD-Basis über den Vertrag abgestimmt hat. (vbr)