Digitalisierung: Land Niedersachsen will 5G-Campusnetze fördern

Als erstes Bundesland möchte Niedersachsen Unternehmen beim Aufbau von firmenweiten 5G-Netzen unter die Arme greifen.

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Digitalisierung: Land Niedersachsen will 5G-Campusnetze fördern

(Bild: Nokia)

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Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat am gestrigen Mittwoch zu seiner zweiten 5G-Anwenderkonferenz auf dem Messegelände in Hannover geladen, um im Rahmen der eigenen Digitalisierungspläne niedersächsische Unternehmen über Chancen und Möglichkeiten von Campusnetzen zu informieren. Laut Stefan Muhle, Staatssekretär für Digitalisierung, will das Ministerium den Aufbau von firmenspezifischen 5G-Netzen (5G-Campusnetze) in Niedersachsen mit insgesamt 50 Millionen Euro fördern.

Für 5G-Campusnetze hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) eigens ein Funksegment von 3,7 bis 3,8 GHz reserviert. Unternehmen, die ihre Produktion mittels der 5G-Technik optimieren wollen, können jeweils 10 MHz (in begründeten Fällen auch mehr) bei der Bundesnetzagentur beantragen. Der Frequenzbereich ist für den Betrieb auf dem Werksgelände gedacht, etwa zur Maschinenvernetzung, nicht aber für Telekommunikationsdienste. Einzelheiten zur Antragsstellung will die Agentur zum Start der Vergabe im zweiten Halbjahr 2019 veröffentlichen.

Firmen, deren Antrag die BNetzA genehmigt hat, können eine Förderung durch das Land Niedersachsen beantragen. "Die Fördermittelabwicklung soll die NBank übernehmen. Dort werden auch die Anträge gestellt", erklärte Melhem Daoud, Referent beim niedersächsischen Wirtschaftsministerium, auf Anfrage. Über weitere Einzelheiten will das Ministerium spätestens ab dem Start der Frequenzvergabe durch die BnetzA informieren.

Zur 5G-Anwenderkonferenz hatte Stefan Muhle Referenten vom Breitbandbüro des Bundes, Nokia, der Deutschen Telekom und der hannoverschen Messe AG geladen. Die Referenten stellten den rund 100 Industrievertretern Anwendungsmöglichkeiten auf Basis der aktuellen 4G- und kommenden 5G-Technik vor. "Zu den Unternehmen, für die die Technik nützlich sein kann, zählen beispielsweise große Lagerhäuser oder Gelände mit vielen Sensoren oder Datengebern", erklärte Christian Zieske, stellvertretender Geschäftsführer, Breitbandbüro des Bundes.

Dort könne eine Analyse der erfassten Daten spürbare Zeitersparnis bringen, indem etwa der Warenfluss angefangen beim Wareneingang bis zum Transport zum Kunden optimiert wird. Entsprechend wertete Martin Beltrop, Senior Director, Nokia Enterprise die Datenerfassung als Schlüsselelement für die Produktionsoptimierung. Weitere Anwendungsbeispiele betreffen Produktionsbereiche, in denen Steuersignale verzugs- und fehlerfrei übermittelt werden müssen, also etwa die Roboter- und Maschinensteuerung.

Minimalkonfiguration für ein 5G-Campusnetz von Nokia: Gemeint ist eine Antenne (weißes Gehäuse) sowie eine Basisstation (schwarz). Der Switch und das Smartphone gehören nicht zur Grundausstattung.

(Bild: Dusan Zivadinovic)

Noch sind 5G-Geräte für die industrielle Anwendung nicht zu haben; laut Martin Beltrop kann man erste 5G-Endgeräte für industrielle Zwecke (etwa Modems oder Gateways) ab 2022 erwarten. Sie können dann je nach Bedarf der Firma zum Beispiel besonders zuverlässige Übertragungen gewährleisten oder sehr kurze Latenzen (1 bis 2 Millisekunden).

Dennoch ermuntern die 5G-Verfechter – Netzbetreiber und Zulieferer wie die Deutsche Telekom und Nokia – ihre Kunden, Campusnetze schon mal auf 4G-Basis einzurichten. Denn die mit 4G aufgebaute Mobilfunk-Infrastruktur lässt sich unter Austausch der Sendeteile mit überschaubarem Aufwand auf 5G aufrüsten. Das ist zwar mit zusätzlichen Kosten verbunden, kann sich aber je nach Ausgangslage einer Firma rentieren. In die Kalkulation sollte man aber auch einbeziehen, dass die BNetzA Nutzungsrechte für Frequenzen normalerweise nur befristet vergibt und so auch im Falle der Campus-Frequenzen: Die Nutzungsfrist soll vermutlich auf 10 Jahre beschränkt sein, maximal aber bis zum 31. Dezember 2040 dauern. Zum Auslauf der Nutzungsrechte dürfte die Agentur dann prüfen, ob und wie der Frequenzbereich weiter genutzt werden kann. Prinzipiell können die Nutzungsrechte bei erwiesenem Bedarf immer wieder verlängert werden.

Konkrete Preise nannten die Referenten nicht. Für eine Minimalkonfiguration von Nokia, bestehend aus einer Basis und einer einzigen Antenne, müssten Firmen aktuell die Kosten für ein Mittelklasseauto veranschlagen. Die Deutsche Telekom will laut Guido Weishaupt Ende 2019 ebenfalls ein komplettes 4G-Campus-Produkt für Unternehmen anbieten, später dann auch als 5G-Version. Preise nannte Weishaupt nicht.

Mit einer Antenne wird freilich kaum ein Unternehmen auskommen. Beispielsweise hat Vodafone beim Elektroautohersteller e.Go eine 8.500 Quadratmeter große Produktionshalle mit sechs Mobilfunkzellen und 36 Sendern abgedeckt. Hinzu kommen Kosten für die Netzplanung, den Aufbau der Infrastruktur (Switche, Glasfaserkabel, etc.) und die Wartung. Firmen, die das Know-how nicht aufbauen möchten, können zunächst von Netzbetreibern und Zulieferern wie Ericsson oder Nokia schlüsselfertige Lösungen beziehen. Die Zahl der Anbieter dürfte aber bald zunehmen; man kann mit Providern oder Systemausstattern wie ABB oder Siemens rechnen.

Wie 5G-Anwendungen konkret aussehen könnten, will die hannoversche Messe AG bald demonstrieren. Als erste Messegesellschaft der Welt will das Unternehmen sein Ausstellungsgelände flächendeckend mit 5G versorgen. Das 100 Hektar große Areal soll zu einem Multifunktions-Campus werden und interessierten Instituten oder Firmen ganzjährig als Testfeld für 5G-Dienste zur Verfügung stehen.

Zunächst sollen sämtliche Hallen sowie das Freigelände bis zum Sommer 2020 mit 5G-Mobilfunk abgedeckt werden. Diese Infrastruktur könnten Aussteller zur Demonstration ihrer 5G-Anwendungen nutzen. Das stadtähnliche Areal mit rund 30 Hallen und einem rund 10 Kilometer langen Straßennetz kann man aber zusätzlich für diverse 5G-Feldversuche und Anwendungsbeispiele aus Industrie, Mobilität, Logistik, Smart City oder Gesundheit nutzen.

Die Messe AG denkt beispielsweise an 5G-gestützte Verkehrsleitsysteme oder auch an vernetzte Versorgungskonzepte – die rund 25.000 Parkplätze könnten ebenso in Feldversuche einbezogen werden wie die auf dem Gelände eingerichteten Restaurants. Auch an Tests mit "intelligenten" Mülltonnen habe man gedacht, also etwa an Sensoren, die sich selbstständig beim Leitstand melden, wenn ein Mülleimer zu leeren ist, erklärte Wolfram Feuerhake, Projektleitung und Leitung Finanzen, Deutsche Messe AG.

Unterm Strich soll das Messegelände zu einem Schaufenster der Zukunft werden, in dem man sehen kann, wie sich die Arbeitswelt und das öffentliche Leben in den kommenden Jahren entwickeln könnten. Einen Vorgeschmack auf 5G in der Industrie und im öffentlichen Raum will die Messe AG mit dem Kongress 5G CMM Expo im Oktober 2019 geben. Sie soll zur "Leitveranstaltung rund um die Schlüsseltechnologie 5G" werden, CMM steht für Connected Mobile Machines. Ab Herbst 2020 soll das Thema zu einer jährlich wiederkehrenden Messe werden. (dz)