Domainverwaltung: Europarat pocht auf Einhaltung der Grundrechte
Derzeit gibt es immer wieder Streit um die Registrierung neuer Top Level Domains. Der Ministerrat des Europarats ruft die Mitglieder der ICANN nun dazu auf, bei ihrer Arbeit die einschlägigen Grundrechte zu beachten und entsprechend zu handeln.
Die Registrierung einer eigenen Top Level Domain und der Zugang zu diesen Zonen sind relevant für die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz. Bestimmte Worte im Domain System zu verbieten – etwa das hoch umstrittene .gay oder die unfreundliche Zone .sucks – kann deswegen die einschlägigen Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzten. Der dafür zuständige Europarat, hat sich deshalb nun in einer lange vorbereiteten Erklärung zu den “positiven” und “negativen” Pflichten geäußert, die seinen Mitgliedsstaaten in ihrer beratenden Rolle bei der ICANN zukommt. Die 47 Staaten – zu denen neben allen EU-Mitgliedern alle europäischen Staaten außer Weißrussland gehören – werden darin aufgefordert, ihre Wächterrolle aktiv wahrzunehmen und dabei auch Verantwortung für die Grundrechte zu übernehmen.
Keine Einigkeit
Vor einigen Jahren hatten die Vereinten Nationen in einer Resolution Vorschläge zu dieser Grundrechtsverantwortung von transnationalen Organisationen gemacht. Die ICANN müsse vor diesem Hintergrund ihre Entscheidungen jeweils auf deren Grundrechtsfestigkeit überprüfen, fordert der Europarat. Der lässt mögliche Verpflichtungen der ICANN bei der Unterstützung der Strafverfolgung laut der Cybercrime Konvention auch nicht unerwähnt. Immerhin hat es aber auch die Datenschutzkonvention 108 des Rats in die Erklärung geschafft und wird, anders als in so mancher früheren Erklärung, sogar noch vorher erwähnt.
Trotzdem bleibt der praktische Effekt der Erklärung fraglich. Die offiziellen Regierungsmeinungen zu TLDs wie .gay, .sucks oder auch .kinder zeigen, dass die Güterabwägung nicht immer zugunsten der Grundrechte ausfallen muss. Sie wird von 47 Europaratsstaaten auch höchst unterschiedlich gehandhabt. Russland beispielsweise hat sich im Rahmen der parallel gefassten Erklärung zur grundsätzlichen Unterstützung des so genannten Multi-Stakeholder-Modells für die Internet-Selbstverwaltung gleich einmal gegen den Rest des Europarats gestellt. Die positive Erwähnung der in Brasilien im vergangenen Jahr verabschiedeten Netmundial-Erklärung, von vielen als positiver Schritt in Richtung Entscheidungsfreude einer neuartigen Multi-Stakeholder-Netzpolitik gefeiert, lehnt Russland strikt ab.
Mit der Multi-Stakeholder-Erklärung befürworten die Europaratsmitglieder allerdings schon jetzt eine Verlängerung des Internet Governance Forum, über dessen Zukunft im Winter die UN-Generalversammlung zu entscheiden hat. (jedi)