E-Voting am GroĂźbildschirm
Der Marktführer auf dem Gebiet der elektronischen Stimmerfassungs- und Wahlmanagement-Systeme, das US-Unternehmen ES&S, präsentiert in Hannover den Prototyp eines Wahlcomputers, der speziell auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten sein soll.
Mit einem speziell auf den deutschen Markt zugeschnittenen Wahlcomputer will die US-Firma Election Systems & Software, Inc. (ES&S) jetzt auch in der Bundesrepublik Fuß fassen. Das in Omaha (Nebraska) ansässige Unternehmen sieht sich als globaler Marktführer und hat nach eigenen Angaben weltweit schon mehr als 170.000 elektronische Stimmerfassungs- und Wahlmanagement-Systeme installiert. In Europa sind die Produkte bisher in einigen Kommunen Frankreichs und Portugals zu finden; darüber hinaus ist das Unternehmen an den Pilotversuchen zum E-Voting in Großbritannien beteiligt.
Bei dem auf der CeBIT vorgestellten Prototyp intElect LS100 – LS steht für Large Screen – wurde mit Unterstützung einer deutschstämmigen Juristin das komplizierte Wahlrecht für Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen aufgearbeitet und in eine deutschsprachige Bedienoberfläche umgesetzt. Es handelt es sich um ein 45 Kilogramm schweres Gerät mit einem etwa 40 Zentimeter hohen und 111 Zentimeter breiten Touchscreen als User-Interface. Diese Abmessungen sollen die Darstellung auch umfangreicher Stimmzettel erlauben, ohne dass der Wähler sich den Bildschirminhalt erst durch Scrollen erschließen muss, wie das bei den in den USA und anderen Ländern eingesetzten Geräten des Typs "ES&S ivotronic" der Fall ist.
Wie die hierzulande bereits eingeführten – und insbesondere seit dem Hack im Oktober vergangenen Jahres umstrittenen – Wahlgeräte des niederländischen Herstellers Nedap ermöglicht das ES&S-System auch das Kumulieren und Panaschieren. Bei diesem vor allem in Kommunalwahlen vielfach verwendeten Verfahren können die Wähler mehrere Stimmen über die Listenvorschläge hinweg verteilen und abweichend von der Parteiaufstellung zugunsten einzelner Bewerber "häufeln"; dabei verhindert die Steuerungssoftware, dass der Wähler mehr als die zulässige Gesamtzahl der Stimmen abgeben kann.
Abgesehen von dem Touchscreen ähnelt die Architektur des intElect LS100 weitgehend dem Nedap-System. Wie dieses handelt es sich um so genanntes Direct Recording Equipment, das die Stimmen unmittelbar elektronisch erfasst. Die Voten werden dreifach redundant gespeichert und in einem herausnehmbaren Speichermodul abgelegt, der nach dem Wahlgang zur elektronischen Auszählung ins Wahlamt gebracht wird.
Gegenüber heise online erklärte der für das internationale Geschäft zuständige ES&S Vice President Ross Ensor, bereits mit Wahlleitern in Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen im Gespräch zu sein. Abhängig von der Stückzahl soll das Gerät zwischen 6000 und 6500 Euro kosten; zum Systempreis machte er keine Angaben. Er hofft nun darauf, noch in diesem Jahr die erforderliche Bauartzulassung zu erhalten. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) sei mit der Prüfung beauftragt.
In Bezug auf die anhaltende Diskussion um den Einsatz der elektronischen Stimmerfassung, in der zumindest mit einer Überarbeitung der in der Bundeswahlgeräte-Verordnung festgelegten Anforderungen zu rechnen ist, die auf Landesebene weitgehend übernommen wurden, zeigte sich Ensor gelassen. "Was immer die Anforderungen sein werden, wir werden sie erfüllen", bekundete er. Das gelte auch, falls künftig aus politischen Gründen ein Papierbeleg des Wählervotums zum Zwecke einer von der Elektronik unabhängigen Nachzählmöglichkeit gefordert werde. Das "intElect LS100" könne mit einem Voter Verified Paper Audit Trail (VVPAT) nachgesrüstet werden, doch im Gespräch ließ der ES&S-Manager keinen Zweifel, was er davon hält: "Es gibt einige Leute, die man nie vom E-Voting überzeugen wird", meinte er, und wenn man der elektronischen Stimmerfassung grundsätzlich mißtraue, "dann macht es auch keinen Sinn, einem Papierausdruck zu vertrauen".
Zu den Spekulationen von Finanzanalysten, dass ES&S größter Konkurrent in den USA, Diebold Election Systems, demnächst zum Verkauf stünde, weil die Muttergesellschaft Diebold durch die öffentliche Diskussion über die Sicherheit von Wahlcomputern bereits ihr Hauptgeschäft mit Banksystemen beeinträchtigt sieht, meinte Ensor, sie seien nachvollziehbar. Sollte es wegen der schlechten Publicity tatsächlich zu einem Verkauf kommen, wäre dies allerdings "kein positives Signal für die Branche". Dass sein Unternehmen in diesem Fall Diebolds Wahlcomputer-Sparte übernimmt, hält er für unwahrscheinlich. Dies würde nur die US-Kartellbehörden auf den Plan rufen und angesichts der Ähnlichkeiten in der Produktpalette beider Unternehmen wäre eine Übernahme "für uns geschäftspolitisch nicht sinnvoll". (Richard Sietmann) / (pmz)