Elektronische Gesundheitskarte: Wer blockiert, dem wird gekürzt
Bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wird Dampf gemacht. Nach den Plänen des Gesundheitsministers Hermann Gröhe müssen alle zahlen, die sich dem System verweigern und als "Blockierer" auftreten.
Unter dem irreführenden Grundsatz Wer blockiert, der zahlt hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Vorkehrungen angekündigt, damit die eGk schneller eingeführt wird. Versicherte, Krankenkassen und Ärzte müssen mit empfindlichen Strafen rechnen, wenn sie dabei nicht "Tempo aufnehmen" wollen.
Außerdem werden etliche Vorgänge per Dekret vereinfacht. So ist die Forderung nach "offenen Schnittstellen" aller IT-Systeme rund um die eGK gestrichen worden, weil "informationstechnische Systeme gegebenenfalls erst in späteren Erweiterungs- oder Ausbaustufen zur Integration offener Schnittstellen in der Lage sind". Dafür liegt ein Referentenentwurf für ein "Gesetz für die sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" vor. Das Gesetz soll am 1.Januar 2016 in Kraft treten.
Harte Termine
In dem geplanten Gesetz werden harte Termine gesetzt: Bis zum 30. Juni 2016 müssen alle Arztpraxen und gesetzliche Krankenkassen in der Lage sein, die Versicherten-Stammdaten elektronisch auszutauschen – ausgenommen sind nur Zahnärzte. Kassen, die diesen Termin nicht einhalten, wird der Verwaltungshaushalt und Ärzten in dem Fall die Vergütung jeweils um 1 Prozent gekürzt. Bis zum 1. Oktober 2016 haben alle Versicherten, die mehr als fünf Medikamente einnehmen, einen Anspruch auf einen Medikationsplan.
Ab dem 1. Januar 2018 müssen alle Ärzte in der Lage sein, einen Notfalldatensatz auf der eGK einzutragen. Die Verantwortung dafür trägt der Hausarzt der Versicherten, bei ihm wird das Backup für den Fall des Kartenverlustes hinterlegt. Die höchsten Kosten kommen auf Versicherte zu, die sich der eGK widersetzen. Sie sollen künftig 5 Euro bezahlen, wenn ihnen eine Ersatzbescheinigung ausgestellt werden muss.
Strafen und Anreize
Das geplante Gesetz enthält neben den Terminen und Sanktionen auch Anreize, um die telematische Infrastruktur einzuführen. So soll ganz unabhängig von der eGK die elektronische Übermittlung von Arztbriefen und Entlassbriefen (also die Arzt-zu-Arzt-Kommunikation) finanziell gefördert und die Übermittlung per Post sanktioniert werden.
Auch die mit der Einführung der eGK betraute Projektgesellschaft Gematik wird durch das geplante Gesetz erheblich unter Druck gesetzt. Auch sie muss die genannten Termine einhalten, sonst drohen ihr Kürzungen in Millionenhöhe. Ferner soll sieein "Interoperabilitätsverzeichnis" der Hardware als Portal im Internet aufbauen. Für die Aufnahmen in das Verzeichnis darf die Gematik von der Industrie Gebühren erheben. Gleichzeitig müssen alle Software-Anbieter im Gesundheitswesen einen Antrag auf Eintrag in dieses Verzeichnis stellen.
Außerdem wird die Gematik verpflichtet, "deutsche Interessen im eHealth-Bereich" in Europa durchzusetzen. Ferner soll sie einen Katalog der Datenübertragungen aufstellen, die "im Falle begrenzter Leitungskapazitäten der Telematikinfrastruktur" Vorrang haben müssen.
Offene Schnittstellen können später kommen
Sollte das "Beschleunigungsgesetz" für die eGK in dieser Form verwirklicht werden, kommt die Industrie am besten davon: So ist die ursprüngliche Forderung nach "offenen Schnittstellen aller Komponenten" gestrichen worden und braucht erst mit künftigen Erweiterungen nachgewiesen werden. Etablierte Kommunikationsnetze wie etwa das KV-Safenet der Kassenärztlichen Bundesvereinigung werden in die Infrastruktur integriert, auch darf die Industrie eigene Netze anbieten, sofern die Sicherheitsstandards der Gematik eingehalten werden.
Für die Anbindung der Praxen und Krankenhäuser zeichnet sich zudem im Gesetz ab, dass ein einheitlicher Konnektor im gesamten System verwendet wird. Neue durch die Industrie bereitgestellte Komponenten dürfen mit einer Sondergenehmigung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sofort eingesetzt werden, ohne die Musterprüfung der Gematik. Dies soll besonders den schnellen Einsatz von Programmen "zur Gewährleistung der Sicherheit der Telematikinfrastruktur" ermöglichen, wenn ein Sicherheitsproblem aufgetaucht ist. "Mit einer befristeten Verwendungsgenehmigung kann diese Komponente zur Gewährleistung der Sicherheit bereits eingesetzt werden, ohne auf den Abschluss des unter Umständen mehrere Monate dauernden Zulassungsprozesses warten zu müssen." (anw)