Energiewende regional: Sonnenkollektoren auf Baggerseen
Wer Strom aus Sonnenenergie gewinnen will, braucht viel Platz für Kollektoren. Geologen der Technischen Universität Darmstadt schlagen vor, dafür die Wasserfläche von Baggerseen zu nutzen.
Strom gleich dort zu verbrauchen, wo er produziert wird, ist die ökologischste und ökonomischste Lösung - auch bei regenerativen Energien. Ein Geologen-Team der Technischen Universität Darmstadt hat einen Vorschlag erarbeitet, wie im Ballungsraum Rhein-Main-Neckar Sonnenenergie erzeugt werden könnte – und zwar mit Hilfe von Kollektoren auf der Wasserfläche von Baggerseen. "Dieses Potenzial ist noch nicht beachtet worden", sagt Professor Andreas Hoppe.
Die Idee stammt aus Bayern, die Darmstädter haben sie auf Südhessen übertragen. Gebraucht wird so etwas, denn: Bis zum Jahr 2050 will Hessen seinen Bedarf an Strom und Wärme möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Das Darmstädter Team geht im nördlichen Teil der Oberrheinebene zwischen Mannheim und Frankfurt von einer theoretischen Wasserfläche von etwa 45 Millionen Quadratmetern aus. Unter Berücksichtigung der Leistung einer Solarzelle, der durchschnittlichen Sonnenscheindauer zwischen Frankfurt/Main und Karlsruhe sowie des Bedarfs an Strom errechneten die Experten, dass die Energie für mehr als 1,3 Millionen Menschen erzeugt werden könnte – oder anders ausgedrückt: Die Main-Metropole Frankfurt würde gleich doppelt versorgt werden, Unternehmen mit eingerechnet.
Die Idee liegt dem hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie vor. Grundsätzlich abgeneigt ist es nicht. Kritischer zeigt sich das Umweltministerium, demzufolge nicht alle Seen infrage kommen. "Badeseen, Angelgewässer und Naturschutzgebiete scheiden grundsätzlich für die Photovoltaik-Nutzung aus", teilte Sprecher Sebastian Wysocki mit.
Nach Meinung der Geologen sind die Baggerseen in dem Gebiet groß genug, um auf riesigen Flächen Sonnenkollektoren zu errichten. "Wenn wir nur ein Drittel der Fläche überbauen würden, reicht es für Mainz und Wiesbaden", sagt Professor Hoppe. Gelingt das Vorhaben, würde im nördlichen Oberrheingraben Energie aus der Region für die Region erzeugt – in einem Gebiet, das dicht besiedelt ist und wo es vergleichsweise schwierig ist, Platz für Sonnenkollektoren zu finden.
Einfach dürfte es allerdings nicht werden, Kollektoren auf Baggerseen zu bauen. Vor diesem Hintergrund verweist Hoppes Mitarbeiter Rouwen Lehné auf die Offshore-Technologie, bei der Energie auf dem Wasser fernab des Festlandes erzeugt wird. "Hier sind die Experten auch gewillt, technische Lösungen zu finden", sagt er. "Warum nicht bei den Baggerseen? Da knallt die Sonne auch den ganzen Tag drauf."
Nach Meinung des Landesamtes für Umwelt und Geologie kann es sogar von Vorteil sein, wenn Seen dadurch vor dauernder Erwärmung geschützt werden. "Damit wird das Algenwachstum abgebremst", sagt der in der Behörde für Gewässerökologie zuständige Thomas Ott (56). Ökologisch sei das also eher positiv. Nur Badegäste, die warmes Wasser mögen, dürften eher sauer reagieren. Doch warum gibt es im dicht besiedelten Rhein-Main-Neckar-Raum eigentlich so viele Baggerseen? "Für den Bau von Häusern wurde Sand und Kies gebraucht", erklärt Hoppe. "Beides musste man sich aus Kostengründen aus der Region holen." Wo abgebaut wurde, entstanden Baggerseen.
Bleibt das Problem der Speicherung. "Energie ist zwar da. Aber wo wird sie gespeichert, bis sie gebraucht wird?", umschreibt es Lehné. Anbieten würde sich die Nutzung von Wasserspeichern, in diesem Fall eine Talsperre im Rheinischen Schiefergebirge am Nordrand des Ballungsraumes. Per Strom wird Wasser dabei in die Höhe gepumpt. Bei Bedarf wird Wasser abgelassen, treibt Turbinen an und es entsteht Strom. (jk)