Experte: Russischer Raumfahrt fehlen die Programmierer

Die russische Raumfahrtindustrie leidet nach Ansicht eines Experten an einem fatalen Mangel an geeignetem Nachwuchs. Abhilfe ist kaum in Sicht.

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Von
  • Tim Gerber

"Die russische Raumfahrtindustrie hat Probleme mit der Software. Die besten Programmierer sind gegangen, Nachwuchs gibt es keinen." Mit diesen Worten fast die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti zusammen, was ihr ein namentlich nicht genannter Spezialist für Weltraumballistik gesagt hat, der viele Jahre in der russischen Raumfahrtindustrie tätig war. "Das Gros der russischen Weltraumpannen der letzten Jahre ist mit menschlichem Versagen verbunden, vor allem mit Programm- und Konstruktionsfehlern", zitiert Ria Novosti aus dem Gespräch.

Satellitenbau bei Roskosmos: Akkuter Mangel an Programmierern

(Bild: Ria)

Die russische Schule für das kosmische Programmieren, die zu Sowjetzeiten Nummer eins der Welt gewesen sei, stecke jetzt in einer tiefen Krise, so der Experte. So sei es den sowjetischen Ballistikern bereits in den 1970er-Jahren gelungen, die Umlaufbahnen für das Navigationssystem Glonass so perfekt zu errechnen, dass die Satelliten - im Unterschied zum US-amerikanischen GPS - keine Orbitkorrekturen benötigen. Ein weiterer Erfolg der sowjetischen Programmiererschule sei die automatische Landung der Raumfähre Buran im Jahr 1988 gewesen. Mittlerweile würden nur noch sehr wenig Spezialisten ausgebildet und auch diese wechseln nicht selten in andere Berufe, so der Experte, heißt es in dem Bericht.

Nicht näher beleuchtet die staatliche Agentur in ihrer Meldung den Umstand, dass viele gut ausgebildete Russen das Land in Richtung Westen, vor allem USA verlassen. Zudem leidet Russland noch viel stärker als andere europäische Länder unter Geburtenschwäche. Eine deutlich kürzere Lebenserwartung (bei Männern liegt sie unter 60 Jahren) verschärft das Problem.

Russland eignet sich deshalb auch kaum als Nachwuchsreservoir für den von der deutschen Wirtschaft beklagten Fachkräftemangel. Dies bestätigte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, in einer Anhörung zur Visavergabepraxis am 28. September 2011 vor dem Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Zudem ist Deutschland für russische Kapazitäten wegen seiner restriktiven Visumpolitik im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern und den USA kaum eine Option. Wer geht schon freiwillig in ein Land, in dem jeder Besuch eines Familienangehörigen mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden ist, bemängelten alle Sachverständigen in der Anhörung (Protokoll als PDF).

Daran dürfte auch die kürzlich von der schwarz-gelben Koalition beschlossene (PDF) Absenkung der Mindestgehälter für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte nichts ändern. Die Deutsche Wirtschaft fordert deshalb in einem Positionspapier (PDF) vehement von der Bundesregierung die völlige Abschaffung der Visumpflicht mit Russland und anderen Staaten Osteuropas. (tig)