Forscher lesen Patienten-Gedanken

Gehirnsignale können verraten, an welches Wort ein Patient denkt. US-Forscher haben erste Wortmuster übersetzt und wollen Menschen, die nicht mehr sprechen können, eine neue Form der Kommunikation ermöglichen.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Patienten, die wegen einer Lähmung oder eines Schlaganfalls nicht mehr sprechen können, könnten eines Tages mit Hilfe ihrer Gehirnsignale wieder mit Familie und Freunden kommunizieren lernen. Ihre gedachten Worte wollen Forscher der University of Utah mit einer neuen Gehirn-Computer-Schnittstelle übersetzen. Erste Ergebnisse hat das Team von Bradley Greger in der September-Ausgabe des „Journal of Neural Engineering“ veröffentlicht.

Die Forscher platzierten 32 Mikroelektroden auf dem Gehirn eines Freiwilligen, dem für die Behandlung seiner schweren Epilepsie-Erkrankung bereits temporär ein kleines Stück des Schädelknochens entfernt worden war. Während der Proband zehn Worte bis zu 100 Mal lesen musste – ja, nein, heiß, kalt, hungrig, durstig, hallo, tschüß, mehr und weniger – nahmen die Forscher die dabei in zwei Arealen entstehenden elektrischen Signale auf: Im Sprachverständniszentrum und in dem Bereich, der die Bewegungen der Gesichtsmuskeln steuert.

Dann suchten sie per Computer nach individuellen Mustern in den Wortsignaturen, um sie eindeutig identifizieren zu können. Bisher schaffen sie das nur in jedem zweiten Fall, doch Greger ist trotzdem zufrieden: "Das ist der 'Proof of concept', der Beleg, dass es funktionieren kann. Wir haben gezeigt, dass die Signale verraten können, was der Patient sagen will – und dass es kein statistisch zufälliges Ergebnis ist." Jetzt müsse die Trefferquote gesteigert werden, betont Greger, zum Beispiel indem die Aufnahmegenauigkeit durch 242 Mikroelektroden verfeinert wird. Dann, so hoffen die Forscher, können sie auch mehr als nur die zehn Wörter identifizieren, die Patienten am häufigsten brauchen. Ihre Versuche wurden von der University of Utah, vom US-Gesundheitsinstitut NIH und dem Wissenschaftsarm des US-Verteidigungsministeriums DARPA finanziert.

Die Methode soll Menschen zugute kommen, die ihr Sprachvermögen durch einen Schlaganfall, degenerative Nervenerkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder einen Unfall verloren haben; aber auch Patienten, die am sogenannten „Locked-in-Syndrom“ leiden – sie sind bei vollem Bewusstsein vollständig gelähmt. Bis das Verfahren allerdings so weit entwickelt ist, dass es in klinischen Studien getestet werden kann, werden laut den Forschern wohl noch mehrere Jahre vergehen. Trotzdem wecken die Ergebnisse neue Hoffnungen, denn bisherige Methoden, Gehirnsignale zur Kommunikation zu nutzen, waren relativ langsam: Die Patienten steuern einen Cursor über den Bildschirm und wählen damit nacheinander die einzelnen Buchstaben von Worten aus. (vsz)