Forscher ĂĽberwinden Blut-Hirn-Schranke mit Ultraschall
Das zentrale Nervensystem des Menschen ist gut bewacht, so dass fast alle Medikamente abgeblockt werden. Ein neues technisches Verfahren soll die Sicherheitsschleuse öffnen.
98 Prozent der potenziellen Arzneien gegen schlecht behandelbare Erkrankungen wie Alzheimer, Depressionen und Hirntumore sind an der Blut-Hirn-Schranke gescheitert, deshalb ziehen sich immer mehr Pharmaunternehmen frustriert aus diesem Bereich zurück. Der Forscher Nathan McDannold vom Bostoner Brigham and Women's Hospital hat nun ein neuartiges "Einbruchswerkzeug" entwickelt, mit dem die Behandlung von neuronalen Erkrankungen umgekrempelt werden könnte, berichtet Technology Review in seiner August-Ausgabe (seit Donnerstag am Kiosk oder online bestellbar).
McDannold will jedem Wirkstoff ohne weitere Eintrittshilfe die Tür öffnen und setzt dabei auf eine Entdeckung aus den 60er Jahren, die bislang nicht weiterverfolgt wurde: Bei der Ultraschallbehandlung von Versuchstieren war damals ein als Testsubstanz verwendeter blauer Farbstoff durch die Blut-Hirn-Schranke gesickert. Offenbar ließ sich der Gehirn-Safe also mit intensiven Ultraschallimpulsen öffnen.
"Das ließ sich aber nicht gut kontrollieren", sagt McDannold. Oft verursachten die hohen Ultraschallintensitäten bleibende Gewebeschäden. Erst 2000 gelang ihm der Durchbruch mit gasgefüllten Mikrokapseln (Microbubbles). Diese werden bei regulären Ultraschalluntersuchungen als Kontrastverstärker eingesetzt, weil sie – in großer Zahl ins Blut injiziert – die Wellen gut reflektieren. So lassen sich etwa die Herzkammern präzise abbilden. Der große Vorteil der Microbubbles im Fall der Blut-Hirn-Schranke: Es reichen geringe Ultraschallintensitäten, um die Gasbläschen anzuregen und damit den öffnenden Effekt ohne Nebenwirkungen zu erzielen.
Wie das genau geschieht, sei schwer zu sagen. "Erst dachte ich, dass wir Löcher in die Membranen der Blutgefäße reißen", sagt McDannold. Der Blick durchs Elektronenmikroskop zeigte aber, dass die Zellen intakt bleiben. Vermutlich irritiert die Stimulation der vielen Microbubbles die Grenzkontrollen so sehr, dass sie selbst Substanzen ohne Passierschein durchlassen. Die Tür zum Hirn bleibt danach mehrere Stunden offen. Zeit genug also, um die Medikamente hindurchzubringen.
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(bsc)