Freihandelsabkommen mit Kanada: Route zur CETA-Ratifizierung bleibt kurvenreich

CETA ist zwischen Kanada und der EU ausverhandelt, aber im Europaparlament herrscht noch keine Einigkeit, wie schnell das Abkommen ratifiziert werden kann.

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Freihandelsabkommen mit Kanada: Route zur CETA-Ratifizierung bleibt kurvenreich

(Bild: uroparl.europa.eu, Archivbild)

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Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Unter dem Eindruck der US-Wahl hat der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments am Donnerstag die Schritte zur Ratifizierung des Freihandelsabkommens Comprehensive Economy and Trade Agreement (CETA) debattiert. Mit insgesamt 39 Zusatzerklärungen und mehreren Gerichtsverfahren voraus bleibt die Route kurvenreich. CETA-Befürworter und -Kritiker diskutierten außerdem, welche Lehren aus dem Beinahe-Scheitern des Handelsabkommens mit Kanada für die künftige Handelspolitik der Gemeinschaft zu ziehen sind.

So schnell wie möglich will der Berichterstatter im Europäischen Parlament, Artis Pabriks, früher lettischer Außen- und Verteidigungsminister, den Deal im Parlament besiegeln. Seine Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP) kritisierte diejenigen, die weiter Bedenken anmelden scharf.

Nordkoreanische Verhältnisse beschwor Daniel Caspary (EVP) herauf, wenn der Freihandel einfach gestoppt würde. Parteikollege Christopher Fjellner ätzte, die von den Kritikern immer wieder vorgebrachten Fragen seien längst im Abkokmmen beantwortet, und mit der Zusatzerklärung gebe es nun auch noch "ein CETA für Dummies".

Ganz so einfach sei es nicht, wandten Sozialdemokraten, Grüne und Linke ein. Was bedeuten die zahlreichen, teils von einzelnen Regierungen dem Vertrag angehängten Zusatzerklärungen? Können die Abgeordneten abstimmen, bevor der Europäische Gerichtshof und das deutsche Verfassungsgericht ihre Entscheidungen zu Kompetenz- und substanziellen Fragen gefällt haben? Welche Teile unterfallen nun tatsächlich der EU-Kompetenz und treten so mit der Verabschiedung durch das Parlament sofort in Kraft? Gleich mehrere Abgeordnete so wie der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (S&D), kritisierten überdies, das Parlament sei bei dem am Ende erzwungenen Abschluss übergangen worden.

Chef-Unterhändler Mauro Petriccione bemühte sich, den Weg zur Ratifizierung einfach erscheinen zu lassen. Die von der Kommission und Kanada gemeinsam erarbeitete interpretative Zusatzerklärung binde beide Seiten. Die Zusatzerklärungen einzelner Mitgliedsstaaten, etwa Deutschland und Österreichs, seien unproblematisch. Denn sie hätten teils Rechte reklamiert, die ohnehin schon bestünden, beispielsweise das Rückzugsrecht. Könne ein Land wegen einem höchstrichterlichen Urteil oder einem Parlamentsbeschluss also nicht ratifizieren, dann könne es zwar nicht einfach selbst wieder "austreten". Aber die Notifizierung der Kommission setze ein Verfahren der EU-Organe in Gang. Allerdings: Was dann genau passiert, sei nicht so ganz klar, räumte Petriccione ein.

Manch ein Problem hofft die Kommission schließlich durch Zeitverzug elegant zu umschiffen. Entscheidungen des umstrittenen gemischten Ausschusses etwa seien in den ersten Monaten nach Inkrafttreten noch nicht notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat also noch Zeit für sein Urteil, bevor es Ernst wird. Und ob Belgien am Ende das noch zu konkretisierende neue System für Investorenschiedsgerichte in Luxemburg überprüfen lasse, werde man dann sehen. Das beim Europäischen Gerichtshof noch anhängige Verfahren zur Kompetenzfrage bei den FTAs habe jedenfalls auf CETA keinen Einfluss mehr, weil die gemischte nationale und EU-Zuständigkeit festgeschrieben sei.

Neben den Detailfragen zur mehr oder weniger schnellen CETA-Ratifizierung verlangen viele Abgeordnete, Lehren aus dem Beinahe-Scheitern zu ziehen. Angesichts der Wahl von Donald Trump, der klar protektionistische Töne im Wahlkampf angeschlagen hatte, sollte die EU Flagge zeigen bei der "Gestaltung der Globalisierung". Eine starke Vorreiterrolle der EU wünschte sich am "Trade Policy Day" im Ausschuss auch der Vize-Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) Karl Brauner. CETA, findet er, sei ein gutes Beispiel für eine "Werte-orientierte" handelspolitische Agenda.

Grüne und Linke sehen dagegen den massiven Widerstand in der Öffentlichkeit als ultimative Aufforderung, handelspolitische Dogmen endlich grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Eine offenere Auseinandersetzung mit der Frage, wer durch die Abkommen gewinnt und wer verliert, sei überfällig, meinen sie, genauso wie ein Dialog darüber, was alles in die Verträge gehört. Längst stecke darin mehr als Handelspolitik.

Die erste der 39 CETA-Zusatzerklärungen ist ein gutes Beispiel. Darin stellt der EU-Rat fest, dass die strafrechtliche Verfolgung von Urheberrechtssündern, der man in CETA zugestimmt habe, kein Präzedenzfall für künftige Abkommen darstellen soll. (anw)