GDC: Blockbuster ohne Burnout
Wie es die Bethesda Game Studios fertig bringen, die riesigen Spielwelten von Fallout 3 und Skyrim fertigzustellen, ohne ihre Mitarbeiter mit Crunch-Zeiten zu belasten, erzählt Senior Designer Joel Burgess auf der Games Developer Conference.
"Fallout 3 war unser erstes Spiel, bei dem wir ein Team von Leveldesignern eingesetzt haben", gibt Senior Designer Joel Burgess auf der Games Developer Conference (GDC) in San Francisco überraschende Einsichten in den iterativen Levelbau bei den Bethesda Game Studios. Das bedeutet nicht, dass an Oblivion und anderen Spielen keine Leveldesigner beteiligt waren - doch eben keine speziell dafür abgestellte Truppe, die sich zuletzt bei Skyrim generalstabsmäßig um dessen mehr als 200 Orte gekümmert hat.
Bethesda ist in auch in anderer Hinsicht ungewöhnlich: Die Mitarbeiterfluktuation des im US-Bundesstaat Maryland beheimateten Studios geht gegen Null – vielleicht auch, weil vielbeschworene "Quality of Life" groß geschrieben wird. "Ich hasse Crunch-Zeiten", sagt Joel Burgess über die Phasen in der Entwicklung, in denen Mitarbeiter kaum noch nach Hause kommen, um den nächsten Milestone zu schaffen. "Manche Studios erwarten sie von ihren Mitarbeitern oder bauen sie in ihre Planung ein, doch das ist nur ein Zeichen für schlechte Planung."
Diese Planung läuft bei Bethesda in mehreren Phasen ab, in denen Level eines Spiels nicht als Einzel-, sondern als Gesamtkunstwerk behandelt werden. Statt also zum Beispiel einen Level in vier einwöchigen Phasen in einem Monat fertig zu stellen, widmen die Entwickler ihm zunächst nur eine Woche. Dann geht es an den zweiten, dann an einen dritten und schließlich an einen vierten Level. Im nächsten Monat geht es wieder von vorne los: vom ersten bis zum vierten Level. Bei beiden Methoden sind nach vier Monaten vier Level fertig, doch das Bethesda-System bietet einige Vorzüge.
SpaĂź bei der Arbeit
"Die Entwicklung bleibt interessant, wir gehen immer mit einem frischen Blick ans Werk und bauen dadurch eine stabile Grundlage, auf der das gesamte Spiel ruht", sagt Joel Burgess. Statt um Wochenendfeedback der Kollegen zu betteln, das bei der "Ein Level pro Monat"-Methode sonst kaum zustande kommen kann, haben die Designer jetzt mehrere Wochen Zeit, sich den gerade nicht aktiv bearbeiteten Level anzusehen und sich ihre Notizen zu machen. "Gerade hier kommt es oft zu einem Engpass, weil wir die Kommentare nicht alle vernünftig verarbeiten können", sagt Burgess. Und letztendlich fließen Erfahrungen beim Bau späterer Level wieder in die früheren ein.
Ein Leveldesigner ist bei den Bethesda Game Studios mehr als nur jemand, der Szenen baut, in denen sich Freund und Feind tummeln. "Wir wollen unsere Mitarbeiter mit so vielen Fähigkeiten wie möglich ausrüsten", sagt Joel Burgess. "Neben den Kernfähigkeiten eines Leveldesigners ist es außerordentlich hilfreich, wenn sie auch als Autoren von Dialogen und Büchern arbeiten oder Spielsysteme und Tools verstehen können." Kein Platz für Fachidioten also.
Zu Beginn der Entwicklung ist ein Leveldesigner bei Bethesda nur etwa zur Hälfte mit dem eigentlichen Design beschäftigt. "Erst viel später steigt dieser Anteil auf rund 75 Prozent", sagt Burgess. "Dabei haben wir im Laufe der Zeit ein paar Dinge herausgefunden: Die besten Ideen fliegen als erste raus und die besten Design-Entscheidungen ereignen sich gegen Ende der Entwicklung. Diese Zeit nutzen wir weniger dazu, möglichst viele Inhalte ins Spiel zu stopfen. Sie bietet uns durch unsere mehrphasige Entwicklung neue Chancen und Möglichkeiten."
Vom Konzept zum Spiel
Jedes Spiel der Bethesda Game Studios durchläuft während seiner Entwicklung mindestens fünf Phasen. "In Phase Null gibt es nur ein Konzept", erklärt Joel Burgess. "Die Leveldesigner schreiben kurze Zusammenfassungen ihrer Level, etwa eines Dungeons - wer hat das wozu genutzt, welche Bewohner leben heute darin." Diese Informationen, die in einem Wiki gesammelt werden, bekommen die Spieler meistens nie zu Gesicht. Doch den Entwicklern helfen sie, ein Gespür für den Ort und die notwendigen "Zutaten" zu bekommen. "Schreibt ein Leveldesigner: 'Der Spieler läutet eine Glocke, um eine Tür zu öffnen', fragen wir ihn: Wie sieht die Glocke aus? Wie groß ist sie? Sind es mehrere Glocken? Diese Details helfen unseren Grafikern und Spieldesignern ungemein dabei, die Inhalte für jeden Spielbereich beziehungsweise die Zeit für deren Erstellung festzulegen."
In Phase Null gibt es auch noch keine Karten - die existieren höchstens als Skizzen im Notizbuch eines Leveldesigners. Im Spiel entstehen sie in Phase Eins, der Layoutphase. Jetzt nimmt die Spielwelt Formen an - auch, wenn darin noch keine Gegner herumlaufen. Gegner, Schätze und Spielelemente wie etwa das Belauschen von feindlichen Patrouillen kommen in Phase Zwei dazu, der Gameplay-Phase. "Jetzt arbeiten wir auch an Nicht-Kampf-Situationen wie Puzzeln", sagt Burgess. KI und Wegfindung von Nichtspielercharakteren und erste Optimierungen sind ebenfalls Teil dieser Phase. Feedback, dass das Team nun immer häufiger bekommt, wird gesammelt und für die nächste Phase aufgehoben.
Ship with shame
Phase Drei nennt Joel Burgess die "Ship with shame"-Phase - das Spiel ist fast komplett und könnte theoretisch verkauft werden. Es ist zum größten Teil spielbar, doch noch immer gibt es einige Probleme, die es zu lösen gilt. Dennoch: Es gibt keine Platzhaltergrafiken mehr, jetzt noch fehlende, doch notwendige Inhalte werden mit konkretem Termin "bestellt". "Jetzt prüfen wir auch, inwiefern unsere bestehenden Inhalte mit unseren ursprünglichen Plänen übereinstimmen", sagt Burgess. Gibt es genug Schlösser zu Knacken? Genug Gelegenheiten, eigene Zaubertränke zu mischen? Müssen Spielelemente ins Gras beißen, die sich als doch nicht sonderlich unterhaltsam herausgestellt haben?
In einer eingeschobenen Verschönerungsphase toben sich Grafiker und Leveldesigner nun an den vorhandenen Inhalten aus: Endlich "darf" die Spielwelt optimiert und in einen prächtig aussehenden Zustand versetzt werden. Erst dann geht es in die fünfte und letzte Phase, in der das Spiel und all seine Elemente "auf Hochglanz" poliert werden. Oft gibt es mehrere dieser Durchgänge: "Wir testen unser fertiges Werk, nehmen noch einige Verfeinerungen vor und testen es erneut", sagt Joel Burgess und erklärt damit, was es mit dem geflügelten Ausspruch "When it's done" auf sich hat.
Besser wird's nicht
Auch nach der längsten Entwicklungszeit ist ein Spiel nicht fertig: "Egal, welches Teammitglied man fragen würde: Jeder wird einem sagen, dass er noch ein paar Stunden oder Tage hätte gebrauchen können", sagt Joel Burgess. Doch auch das ist nur begrenzt sinnvoll: "Wenn jemand schon sechs Tage die Woche bis 22 Uhr arbeitet, wird ein Sonntag im Büro ihm auch nicht mehr helfen." Viel wichtiger ist dann die persönliche Arbeitseinteilung.
"Sagt aber jemand, der jeden Abend um 17 Uhr nach Hause geht, dass er ein paar Überstunden machen will, um ein Feature zu perfektionieren, kann er das tun. Auch, wenn längeres Arbeiten das Dümmste ist, was man machen kann. Viel besser ist es, sich die Arbeit schlau einzuteilen", erklärt Burgess. "Jeder von uns kann im Laufe seines Lebens nur an einer begrenzten Zahl von Spielen arbeiten. Da ist es wichtig, auf gesunde Weise zu arbeiten und gesund zu bleiben. Schließlich will ich nicht vom Burn-Out dahingerafft werden, sondern so lange wie möglich hervorragende Titel entwickeln." (vbr)