Gamescom: Heldenmäster und Zombie-Comic – Originelles aus deutschen Landen

Während internationale Großpublisher mit Millionen jonglieren, wecken einige deutsche Studios durch besonders schräge Spielideen und ungewöhnliches Design Aufmerksamkeit. Gute Beispiele dafür liefern die Titel "Dungeons", "Trapped Dead" und "GooseGogs".

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Nowarra

Deutsche Spielestudios können von den Multimillionenbudgets, die internationale Publisher in ihre Produktionen stecken, normalerweise nur träumen. Manche machen aus der Not eine Tugend und wecken Aufmerksamkeit nicht durch Aufwand, sondern durch besonders schräge Spielideen und ungewöhnliches Design.

Bei Dungeons darf der Spieler edlen Helden Fallen stellen.

(Bild: Kalypso Media)

Als Held(in) Katakomben erforschen, Gold sammeln, Ausrüstung finden, neue Zaubersprüche lernen und Monster wachsender Gefährlichkeit erledigen – das kann man in jedem der zahllosen Action-Rollenspiele, die sich dem geneigten Spielepublikum andienen. Sehr lohnend kann jedoch auch ein Blick auf die andere Seite der Theke sein: Ein unterirdisches Labyrinth so auszustaffieren, dass Heldenfiguren dort gern hineingehen, um die für sie passenden Herausforderungen zu finden – das ist die ebenso ungewöhnliche wie reizvolle Aufgabe beim Strategiespiel "Dungeons" vom deutschen Publisher Kalypso Media, das im Frühjahr 2011 erscheinen soll.

Der Spieler übernimmt den Job eines Dungeon-Lords. Dieser gewinnt seine Kraft aus der Seelenenergie von Heldenfiguren. Natürlich rücken diese den begehrten Aktionstreibstoff nicht freiwillig heraus; sie setzen ihn aber in unterschiedlichem Maße frei, wenn man sie foltert, im Kerker verschmachten lässt oder notfalls auch ganz prosaisch erschlägt.

Damit eine Heldenfigur hinreichend Seelenenergie aufbaut, muss man sie allerdings zunächst ihren Neigungen entsprechend päppeln. Und so schafft man kleine Abenteurerparadiese mit geheimnisvoll aussehenden Magierbibliotheken für zauberkundige Leseratten, Schatzkammern für goldgierige Söldnerseelen und allerlei anderen Tummelplätzen für Helden verschiedenster Couleur. Außer Mobiliar und Accessoires stehen dafür auch allerlei Monster zur Verfügung, mit denen sich die Gäste messen können. Und wie in ein angesagtes Vergnügungsetablissement kommen sie nacheinander neugierig herein: die knapp bekleidete Klischee-Elfe, der robentragende Zauberer, der machtberauschte Kleriker, der muskelbepackte Schwertschwinger und viele weitere, irgendwann auch ein wirklich prominenter Held.

Es gilt den rechten Zeitpunkt abzupassen, an dem ein Besucher genug Seelenenergie aufgebaut hat, damit sich die Ernte lohnt, aber noch nicht so viel, dass der Dungeon-Lord ihn nicht mehr ohne allzu großes Risiko besiegen könnte. Gewonnene Seelenenergie steckt man in den weiteren Ausbau des Dungeons und behält dabei das Ziel des jeweiligen Spiellevels im Auge: Mal ist ein spezieller Helden-Promi zu erledigen, mal hat man Gelegenheit, das Dungeon eines konkurrierenden Lords zu übernehmen. Allerdings muss man dort nicht nur mit dem Chef des Hauses, sondern auch mit dessen anhänglichem Personal fertigwerden. Die Gestaltung des Spiels erinnert mit der isometrischen Perspektive und den Kampfabläufen so stark an gängige Action-Rollenspiele á la Diablo II, dass Genrefreunde allein dadurch immer wieder Anlass zum Schmunzeln finden. "Dungeons" greift viele Aspekte des Klassikers Dungeon Keeper auf, ist aber keineswegs ein bloßer Abklatsch davon.

Bei Dungeon Keeper war man stets bemüht, die Monster bei Laune zu halten, damit diese ihr Zuhause gegen eindringende Helden verteidigen. Bei "Dungeons" hingegen stehen die Helden als eine Art seelenenergetisches Schlachtvieh im Mittelpunkt: Sie sollen möglichst glücklich sein, damit es sich lohnt, sie umzubringen.

Trapped Dead: Zombie-Blutbad mit Comic-Charme

(Bild: Headup Games)

Nicht weniger augenzwinkernd, wenn auch noch deutlich blutiger, kommt Trapped Dead von Headup Games daher, das für Ende November 2010 angekündigt ist. Es handelt sich dabei um einen Survival-Shooter besonderer Art. Die Spielgeschichte erinnert an B-Movies des Horrorgenres: Als ein ahnungsloser Student seinen Wagen auftanken will, findet er an der Tankstelle statt des erhofften Ansprechpartners nur einen Haufen Zombies vor. Bald muss er feststellen, dass er es mit einer regelrechten Invasion von Untoten zu tun hat und sich die Angriffe schwankender, menschenfressender Gestalten wie eine Epidemie ausbreiten. Nur wenige sind dem Verhängnis entgangen – diese Überlebenden müssen nun immer wieder ausrücken, um ihre Vorräte aufzufrischen und nach Möglichkeiten für ein Entkommen zu suchen.

Die Zombies bewegen sich nur langsam, bilden allerdings eine erdrückende Übermacht. Wer von ihnen gebissen wird, verwandelt sich nach seinem Tod in einen der Ihren. Bei gründlicher Planung lässt sich allerdings schon einiges ausrichten: Man kann die tumben Gestalten in allerlei Fallen locken, indem man etwa Benzinfässer als Brandbomben nutzt. Wer es spektakulär mag, kann auch ganze Autos auf die Untoten herabstürzen lassen.

Das Besondere an "Trapped Dead" ist aber nicht die Story, sondern die liebevoll gestaltete Comic-Grafik, die das Ganze so erscheinen lässt, als lese man ein lebendes Comic-Heft. Diese Aufmachung nimmt dem Horrorszenarium viel von seinem Schrecken und zeigt, dass das Spiel sich selbst nicht ganz ernst nimmt.

GooseGogs fordert die grauen Zellen, aber auch die Fingerfertigkeit des Spielers.

(Bild: Crimson Cow)

Ein sehr ungewöhnliches Geschicklichkeitsspiel ist GooseGogs, das der Hamburger Publisher Crimson Cow im kommenden Frühjahr für Windows-PCs, Xbox und iPad auf den Markt bringen will. Crimson Cow hat sich in erster Linie durch originelle Adventures, etwa die Runaway-Reihe, einen Namen gemacht. GooseGogs hingegen fordert nicht nur die Tüftelfähigkeiten des Spielers, sondern auch dessen Fingerfertigkeit und Reaktionsschnelligkeit.

Der GooseGogs-Schöpfer mit seiner Trophäe bei der Verleihung des Deutschen Entwicklerpreises 2010

(Bild: Frederic Schimmelpfennig)

Frederic Schimmelpfennig entwickelte das Spiel, dessen avantgardistische Optik ein wenig an World of Goo erinnert, im Alleingang. Er gewann damit im Frühjahr dieses Jahres als erst 17-Jähriger den Deutschen Entwicklerpreis in der Kategorie "Bestes Konzept aus Schülerwettbewerb". Der Held bei GooseGogs ist eine stachelige schwarze Kugel, die man auf Knopfdruck in Wut versetzen kann – Schimmelpfennig hat dabei an eine Stachelbeere (im Englischen je nach Dialekt "goosegog" oder auch "gooseberry") gedacht. Sie rollt einen Hindernisparcours entlang, der nach der Tradition der 2D-Jump'n'Run-Spiele in der Seitenansicht gezeigt wird. Verschiedene Bösewichter wollen den Helden behindern. Dieser zieht eine Art wolkige Spur mit einer gewissen Verzögerung hinter sich her. Ist er wütend, verfärbt sich die Spur. Für seine Widersacher wird sie dann tödlich. Ein allzu wütender Held platzt jedoch, daher wäre es keine gute Idee, die rollende Stachelkugel in Dauerwut zu halten. Das Spiel ist in fünf Kapitel eingeteilt, von denen jedes 20 Levels umfasst. Am Ende von jedem Level wartet ein schwer zu besiegender "Bossgegner". Das eigentlich simple Spielprinzip macht viel Spaß. GooseGogs bietet Zugkraft für Gelegenheitsdaddler, motiviert aber auch hartnäckige Spieler der "Jetzt will ich's aber mal richtig wissen"-Fraktion. (psz)