Gericht: Großbritannien darf Assange ausliefern
Der Londoner High Court hat die Berufung des Wikileaks-Gründers verworfen und das Urteil der ersten Instanz bestätigt. Assange kann nun an Schweden ausgeliefert werden, hat aber auch noch weitere Einspruchsmöglichkeiten.
Wikileaks-Gründer Julian Assange darf von Großbritannien an Schweden ausgeliefert werden. Das hat der Londoner High Court am Mittwoch in zweiter Instanz entschieden und damit eine Berufung von Assange gegen ein vorheriges Urteil verworfen. Assange hat eine weitere Berufungsmöglichkeit zum Supreme Court. Sollte er diese nicht wahrnehmen, könnte er binnen 14 Tagen nach Schweden geflogen werden. Darüber hinaus kann Assange auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.
Dem 40 Jahre alten Australier werden in Schweden Sexualstraftaten vorgeworfen. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks argumentiert, es gebe bisher keine Anklage gegen ihn in Schweden. Der EU-weite Haftbefehl zu seiner Auslieferung sei nur erwirkt worden, um ihn zu einer Befragung nach Schweden zu holen. Dies sei nicht rechtens. Außerdem hatte Assange wiederholt geltend gemacht, er fürchte eine Auslieferung von Schweden in die USA. Der Australier steht in Großbritannien derzeit unter Hausarrest.
[Update: Der High Court hat Assanges Berufung in allen vier Verhandlungspunkten abgelehnt. Das Gericht bestätigte damit die Entscheidung der ersten Instanz (Magistrate Court). Assange kann nun innerhalb von zwei Wochen die Entscheidung vor dem Supreme Court anfechten. Doch kann das höchste britische Gericht den erneuten Einspruch auch ablehnen. In diesem Fall würde Assange sofort an Schweden ausgeliefert, wo ihm Untersuchungshaft droht.
Das Gericht befand in seiner Entscheidung, dass der von Schweden ausgestellte Europäische Haftbefehl sachgemäß sei und den Verfahrensregeln entspreche. Der High Court widersprach den Verteidigern, die den Haftbefehl als Grundlage eines erst noch zu beginnenden Untersuchungsverfahrens als ungesetzlich kritisierten. Auch die Ansicht der Verteidigung, dass eine nicht zuständige Staatsanwältin den Haftbefehl ausgestellt habe, wurde vom Gericht nicht geteilt. Die Gefahr einer Auslieferung von Assange an die USA sei im europäischen Rechtsrahmen nicht gegeben, befand der High Court.
Der europäische Haftbefehl gegen Julian Assange war erlassen worden, nachdem Assange entgegen der Absprache mit der schwedischen Staatsanwaltschaft am 8. Oktober 2010 nicht zu einem Untersuchungstermin erschienen, sondern am 29. September überstürzt aus Schweden abgereist war. Die schwedischen Behörden ermitteln gegen Assange in zwei Fällen sexueller Belästigung und einem Fall von Gewaltanwendung, der in Schweden als "Vergewaltigung in einem minderschweren Fall" definiert ist.
Bei der Entscheidung des Gerichtes wurde bekannt, dass Julian Assange und seine Anwälte vor einer Woche über den Richterspruch informiert wurden. Assanges Anwälte protestierten gegen die Kostennote von 19.000 britischen Pfund (22.000 Euro), die Assange für das zweitägige Verfahren tragen muss. Das Gericht machte geltend, dass seiner Ansicht nach Julian Assange in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebt.
Bis zum Verfahren vor dem Supreme Court oder bis zu seiner Auslieferung nach Schweden bleiben die Haftauflagen bestehen. Julian Assange muss weiterhin eine Fußfessel tragen, sich täglich bei der Polizei melden und darf das Anwesen seines Gastgebers nicht ohne Erlaubnis verlassen.]
[2. Update: Nach dem Urteilsspruch betonte Assange, dass er in keinem Land der Welt eines Verbrechens beschuldigt werde. Seiner Ansicht nach sei der europäische Haftbefehl derart restriktiv gefasst, dass es für Betroffene unmöglich sei, sich Gehör zu verschaffen. Er werde sich nun mit seinen Anwälten beraten, ob ein Einspruch gegen das Urteil erfolgt. Über den weiteren Ablauf des Verfahrens könne sich jedermann dann auf seiner Website Sweden vs. Assange informieren.]
(vbr)