Grundlegende Patentreform angemahnt

Bringt wirklich jedes der zwei Millionen jährlich angemeldeten Patente die Technik voran? Forscher und Ingenieure, nicht in erster Linie Anwälte sollten vom Patentsystem profitierten, hieß es auf dem Patentkongress von OECD und Europäischem Patentamt.

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Von
  • Monika Ermert

Fachleute einschlägiger Organisationen halten Reformen im Patentwesens für dringend notwendig. Steckt wirklich hinter jedem der zwei Millionen jährlich angemeldeten Patente eine Erfindung, die die Technik voranbringt? "Ich würde sagen nein", meint Benoit Batistelli, Präsident des Europäischen Patentamts (EPA) bei einer von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und den EPA gemeinsam veranstalteten Patentkongress. Richard Boucher, Vizechef der OEDC, sagte zum Auftakt der Debatte, er wolle, dass Forscher und Ingenieure und nicht in erster Linie Anwälte vom Patentsystem profitierten.

Batistelli will das System vor allem durch hohe Quaitätsanforderungen an die Patente verbessern. Patentämter sollten Patente nur für Erfindungen erteilen, die es "wirklich verdienen", sagte Batistelli. Immerhin verleihe man den Patentinhabern damit zeitlich begrenzte Monopole. Die zweite große Aufgabe sei, die in den Patenten vorhandenen Technologieinformationen besser verfügbar zu machen. Als Problem betrachtet Batistelli es beispielsweise, dass rund 20 Prozent der Neuanmeldungen in chinesischer Sprache abgefasst seien.

Für kleine oder mittlere Unternehmen sei dadurch der "Stand der Technik" und die Neuheit eigener Entwicklungen immer schwerer abzuschätzen. Abhilfe will das EPA aber der kommenden Woche mit einer automatischen Übersetzung auf der Basis von Google Translate schaffen. Die maschinelle Übersetzung der chinesischen Patentschriften ins Englische könne immerhin dazu dienen, einschlägige Dinge aufzuspüren. Auch durch Kooperation mit den Patentdatenbanken anderer Regionen, ArabPat und LatPat, sollen Patentanmeldern einen besseren Überblick verschaffen. Eine stärker formalisierte Sprache könne kleineren Patentämtern helfen, meinte Jorge Avila, Chef des brasilianischen Patentamtes, das gerade von 250 auf 750 Patentprüfer aufstockt.

Für den Chef der World Intellectual Property Organisation (WIPO), Francis Gurry, müssen deutlich weitergehende Reformen her. Gurry hält eine internationale Verständigung darüber, was überhaupt patentiert werden kann, für unverzichtbar. Es sei unentschuldbar, dass die Industrienationen es bisher nicht geschafft hätten, sich auf eine Harmonisierung der Definition von "Neuheit" zu einigen. Trotz einer aktuellen Reform des US-Patentrechts gebe es immer noch klare Unterschiede im Bezug auf die Ansprüche an die Patentierbarkeit zwischen den USA und der EU, sagte Batistelli. Die Reform des Patent Cooperation Treaty (PCT) (PDF-Datei) kommt nicht voran.

Die fehlende Einigung über die grundsätzlichen Ziele und Anforderungen des Patentsystems aber beschere Entwicklern das Risiko von Patentkriegen, aber auch technologischen Protektionismus, warnte Gurry. Leider, betonte der WIPO-Chef, sei die Einigung über internationale Standards extrem schwierig geworden. Er sprach von einer Krise des Multilateralismus. Zwar sei es in sehr speziellen Fragen, etwa bei neuen Schutzrechten für audiovisuelle Darbietungen oder der derzeit noch verhandelten :Blindenschranke, immer wieder möglich, international zu harmonisieren. Häufig werde jedoch auf bilaterale und plurilaterale Verträge ausgewichen. (jk)