Grundrechtsführer fürs Netz: Sie haben das Recht, nicht überwacht zu werden
Das Ministerkomitee des Europarats in Straßburg hat ein Dokument veröffentlicht, das Internetnutzern erklärt, wie sie ihre "Offline-Grundrechte" auch im Netz behaupten können.
Was offline verboten ist, darf auch online nicht sein, lautete lange die Kampfparole derer, die vor einem rechtsfreien Raum im Internet warnten. Das Ministerkomitee des Europarats in Straßburg erklärt Internetnutzern jetzt in einem knappen Dokument, wie sie ihre "Offline-Grundrechte" auch im Netz behaupten können. Rund eineinhalb Jahr wurde verhandelt, jetzt verabschiedete das Gremium einen Grundrechtsführer fürs Internet. Der Führer begründet keine neuen Rechte, sondern speist sich praktisch komplett aus Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Grundrechtsschutz im Internet. Die jeweiligen Urteile sind in einem ausführlichen Begründungstext referenziert.
Nutzer haben demnach einen Anspruch auf Zugang zum Netz und auf staatliche Förderung dort, wo der Zugang erschwert sei, etwa im ländlichen Raum. Sie hätten das Recht, nicht ohne klare Gerichtsentscheidung aus dem Netz geworfen zu werden und dürften sich auf Sites versammeln und protestieren. Sie seien frei, Inhalte zu schaffen und vorhandene Inhalte zu verarbeiten und zu verbreiten, sofern sie urheberrechtliche Ansprüche dabei nicht verletzen. Und sie hätten Anspruch auf unbeobachtete Kommunikation im Netz. Ein Satz wie "Sie dürfen nicht allgemeinen Überwachungs- oder Ausspähungsmaßnahmen unterworfen werden", klingt dabei gar nicht schlecht, hört sich allerdings auch schon fast ein wenig nach einer Aufforderung zu weiteren Verfassungsklagen in vielen der 47 Mitgliedsländer an.
Ziel des Führers sei es gewesen, die Nutzer knapp und einfach über ihre verbrieften Rechte zu informieren, auch gegenüber privaten Dienstleistern, die sich häufig hinter langen Geschäftsbedingungskatalogen verbarrikadieren, erläutert Jan Kleijssen, Director of Information Society and Action against Crime beim Europarat. Auf die Diskrepanz zwischen Rechtsansprüchen und politischer Praxis angesprochen, sagte Kleijssen, die Vertreter der Mitgliedsstaaten sähen den Grundrechtsführer durchaus auch als Mittel, bei Behörden und Institutionen das Bewusstsein für die Netzrechte zu schärfen.
Im Vorspann zum Führer verpflichten sich die Mitgliedsstaaten dazu, nationalstaatliche Beschränkungen der Grundrechte im Netz auf ihre Grundrechtsfestigkeit zu überprüfen und Nutzern Zugang zu Rechtsmitteln zu verschaffen. Dabei soll auch die Durchsetzung von Grundrechten gegenüber privaten Diensteanbietern unterstützt werden. Vorläufig liegt der Führer nur in den offiziellen Amtssprachen des Europarats vor, eine Übersetzung in möglichst viele der Sprachen ist geplant. (pmz)