ICANN und neue Top Level Domains: Fest gemauert ... auf wackeligem Grund
Nach Jahren des Tauziehens um die Erweiterung des Domain-Namensraums wähnt sich die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) auf der Zielgeraden. Doch noch lange nicht sind alle Bedenken und Widersprüche ausgeräumt.
Nach Jahren des Tauziehens um die Erweiterung des Domain-Namensraums wähnt sich die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) auf der Zielgeraden. Vor dem bevorstehenden 47. Treffen der privaten Internet-Verwalter im südafrikanischen Durban meldete die ICANN, dass 1092 neue Namen für Top Level Domains (TLDs) die erste im Rahmen der Zulassung notwendige Prüfung durchlaufen haben. Überdies wurden die Standardverträge für Registrare und Registries, für Domainverkäufer und die für den Betrieb der DNS-Zonen verantwortliche Unternehmen abgeschlossen.
Erst Mitte 2011 hatte sich die ICANN endgültig dazu durchgerungen, den Internet-Namensraum zu öffnen und neue Adresszonen einzuführen. Damit möchte die ICANN ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com oder .biz etablieren, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen. Die ICANN hatte das komplizierte und teure Bewerbungsverfahren für neue Internet-Adresszonen wie ".berlin", ".music" oder ".sport" Anfang 2012 gestartet; nach einigen Pannen, die zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens führten, konnten Bewerber endlich im Mai 2012 ihr Begehr für neue Top Level Domains vorbringen. Insgesamt 2000 Anträge auf neue Top Level Domains gingen ein. Beim anstehenden 47. ICANN-Treffen in Durban sind die neuen TLDs nun weiterhin dennoch Hauptdiskussionsthema.
Das Bundeswirtschaftsministerium forderte vorab, bei der Vergabe von .gmbh abzusichern, dass die in Deutschland, Österreich und der Schweiz geltende Rechtsnormen beachtet werden. Der allgemeine Forderungskatalog der Regierungen für die Vergabe neuer Top Level Domains gehört zu den mit Spannung erwarteten Debatten.
Einem Teil der Wünsche hatte der für das TLD-Verfahren zuständige Vorstandsausschuss nachgegeben, etwa im Bereich Domain-Vorratsdatenspeicherpflichten für Registrare sowie allgemeine Vorsorgepflichten gegen Missbrauch von Domains. Dazu sollen Registries ihre Registrare an die Kandare nehmen. Weitere Auflagen für speziell gelistete TLDs (darunter solche die den Gesundheitsbereich oder andere regulierte Bereiche betreffen) sollen in Durban nochmals mit den Regierungsvertretern diskutiert werden.
Auch Mahnungen bezüglich einer Reihe von geographischen beziehungsweise religiösen TLDs gehen in eine weitere Runde. Die US-Regierung meldete mittlerweile an, sich möglichen Widersprüchen der Regierungen in Bezug auf .shenzen, .persiangulf, .guangzhou, .amazon, .patagonia, .yun, and .thai, nicht entgegenzustellen. Der Sportartikelhersteller Patagonia hat mittlerweile reagiert und seine Bewerbung zurückgezogen. Insgesamt wurden bislang 97 Bewerbungen aus dem recht kostspieligen Verfahren zurückgezogen.
Gescheitert in der ersten Evaluierung durch die ICANN-Panels sind überraschenderweise Bewerbungen wie die von McKinsey und der Boston Consulting Group, beide hatten offensichtlich keine ausreichenden Informationen zu finanziellen Details angegeben. Sie müssen in eine zusätzliche Runde gehen. Ebenfalls noch einen langen Weg vor sich haben die TLDs, für die es Mehrfach-Bewerbungen gibt, wie etwa .blog und .news. Geschlossene generische Domains soll es übrigens, nach einer Übereinkunft zwischen Regierungen und der ICANN, nicht geben.
Namen wie .swiss, .berlin, .ruhr oder .mini und .bmw können dagegen laut Ankündigung der ICANN schon bald damit rechnen, Registry-Verträge mit der ICANN abzuschließen. Bislang habe man 31 Vertragspartner um die Einreichung ihrer Unterlagen gebeten, ließ die ICANN wissen. Große Registrare in Deutschland haben bereits angefangen, für entsprechende Vorregistrierungen zu werben. (jk)