IDS-Scheer-Gründer voller Tatendrang

Auf einer Hauptversammlung werden die verbliebenen Kleinaktionäre wohl den Verkauf der IDS-Scheer AG besiegeln. Bereits vor gut einem Jahr hat Unternehmensgründer August-Wilhelm Scheer seine Mehrheitsanteile an die Darmstädter software AG verkauft.

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Von
  • Jörg Fischer
  • dpa

Der emeritierte Saarbrücker Hochschulprofessor gilt als Vorzeigeunternehmer par excellence, wird in seiner Branche bisweilen als "IT-Papst" gefeiert und steht regelmäßig mit seinem Saxofon auf der Jazzbühne. August-Wilhelm Scheer, Gründer der IDS Scheer AG. Auch ein Jahr nach dem Verkauf der Mehrheitsanteile an seinem "Lebenswerk" ist der Tatendrang des 68-Jährigen ungebremst.

Scheer denkt gar nicht ans Aufhören und schmiedet Zukunftspläne: "Meine Mutter ist 97 geworden und hat bis 90 gearbeitet. Das muss zwar nicht sein. Ich will aber einfach weiter tätig sein. Denn solange man sich beschäftigt, lebt man noch", sagt er.

Die vor einem Jahr getroffene Entscheidung, sich von "seinem Unternehmen" zu trennen, bereut Scheer nicht. "Natürlich tut es mir einerseits leid, wenn jetzt das Firmen-Logo vom Dach kippt", sagt er. Der Verkauf sei aber nötig gewesen, damit die Firma eine reelle Chance habe, am Markt gegen die Großen der Branche wie IBM oder Google bestehen zu können. Viele schlaflose Nächte habe er in den Wochen vor der Verkaufsentscheidung gehabt: "Dann habe ich die Seite des Buches umgeschlagen und nach vorne geblickt."

Am heutigen Donnerstag entscheidet die wohl letzte Hauptversammlung des Software- und Beratungsunternehmens abschließend über den Verkauf an die Darmstädter Software AG, der Name IDS Scheer mit dem roten Y im Logo wird weitgehend verschwinden. Scheer hatte das Unternehmen 1984 als "Spin-off" des von ihm geführten Uni-Instituts gegründet.

Die meiste Zeit jettet Scheer derzeit als Präsident des Branchenverbandes Bitkom, den er seit 2007 leitet, durch die Republik, zwischendurch kümmert er sich um seine zweite Firma, die auf Lernsoftware spezialisierte imc. In seiner aus mehreren weißen Würfeln bestehende Villa im Bauhausstil am Waldrand nahe der Saarbrücker Uni spannt er zwischendurch aus und übt das Saxofonspiel.

Mindestens zweimal im Monat steht der Jazzer abends auf der Bühne, bisweilen zusammen mit Jazz-Größen wie dem letzten Miles-Davis Schlagzeuger Jimmy Cobb. Dabei ist Jazz für den gebürtigen Westfalen "mehr als nur Ausgleich". Er ist fasziniert von der Jazz-Welt, der "freundschaftlichen, fast familiären Atmosphäre" unter den Musikern. "Ich kenne dabei meine Grenzen. Ich werde die Musikwelt nicht verändern. Aber als Amateur kann ich mich durchaus sehen lassen."

Viele, die ihn näher kennen, bewundern das professorale Multitalent als ehrgeizig, zielstrebig und fleißig. "Er hat uns viele Freiräume, gelassen, aber auch keine halben Sachen geduldet", erzählt eine Ex-Mitarbeiterin. Er selbst kann mit der "Fremdwahrnehmung nicht so viel anfangen". Als seine Stärken sieht der drahtige, ergraute Professor, dass er delegieren, vor allem aber loslassen kann.

"Ich konzentriere mich auf die Dinge, die notwendigerweise von mir selbst gemacht werden müssen. Dadurch schaffe ich mir Freiräume, gebe aber auch Freiräume." Das wichtigste sei fast überall eine Mischung aus "Solistentum" und guter Teamleistung. Das gelte in gewissem Maße gleichsam in der Forschung und im Unternehmen, genauso wie im Jazz oder im Fußball.

Die wachen Augen des 68-Jährigen blitzen, wenn er vom Tor des Stürmers Miroslav Klose beim WM-Spiel gegen England schwärmt. "Wie der sich durchgesetzt hat. Dieser absolute Wille, den Ball verdammt noch mal ins Tor zu bringen!" Aber: "Wenn der Torschütze keinen guten Pass kriegt, nützt ihm das gar nichts." So sei es auch bei einem Unternehmen: "Man braucht Leute, die sich durchsetzen, umgekehrt braucht man leitende Mitarbeiter, die die Vorlagen liefern."

Allein durch den Verkauf seiner Mehrheitsanteile an der IDS Scheer AG hat der Wirtschaftsinformatiker schätzungsweise 200 Millionen Euro bekommen. "Auch vorher war ich kein Hartz-IV-Empfänger", merkt Scheer an. Mit seinem Vermögen will er Sinnvolles tun – zwei Stiftungen hat er schon ins Leben gerufen: "Das ist ja so viel Geld, das kann man nicht in vernünftiger Form für sich ausgeben."

Das Geld will er vor allem zum Ausbau eines Netzwerks kleiner "Start-up-Unternehmen" einsetzen. "Ich investiere in Menschen. Die müssen mir sympathisch sein, die müssen klug sein, die müssen tolle Ideen haben. Wenn junge Leute mit einem Opa wie mir zurechtkommen, dann passt das", scherzt der 68-Jährige, bevor er sich wieder auf Reisen macht – im Einsatz für die IT-Branche in Deutschland. (anw)