Internet Governance Forum: Ein steiniger Weg zur Meinungsfreiheit?
Zum Auftakt des Internet Governance Forum in Sharm El Sheik hat die ägyptische Regierung Fragen nach einem harten Vorgehen gegen Blogger zurückgewiesen. Von IGF-Vertretern hieß es, das Internet habe Gesellschaft und Wirtschaft verändert, Institutionen seien aber langsam bei Anpassungsprozessen.
Ägyptens Kommunikationsminister Tarek Kamel hat Fragen nach einem harten Vorgehen gegen Blogger im Gastland des diesjährigen Internet Governance Forum der UN (IGF) zurückgewiesen. Auf der ersten Pressekonferenz des IGF sagte Kamel in Sharm El Sheik, in Ägypten herrsche Meinungsfreiheit. "Wäre sonst das IGF hierher gekommen?" fragte Kamel. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) hatte zuvor auf kurzfristige Inhaftierungen und Misshandlungen von Bloggern hingewiesen.
Kamel und der ägyptische Ministerpräsident Ahmed Nazif gaben ein Bekenntnis zur Meinungsfreiheit in ihrem Land ab. Kamel sagte auf die Frage, ob die bei der IGF vertretenen Ideale wie Meinungsfreiheit und Partizipation am politischen Prozess erst noch in die Praxis umgesetzt werden müssten: Internetpolitik sei nicht in erster Linie national. Vielmehr müssten für ein globales Medium, das sich klassischer Telekommunikationsregulierung entziehe, grenzüberschreitende Regeln gefunden werden. Genau das sei das Ziel des IGF.
Robert Guerra, Direktor der Organisation Freedomhouse, sagte gegenüber heise online, Gesetzgebung, die Zensur ermögliche, sei bedenklich. Insbesondere das seit 1981 in Ägypten bestehende Ausnahmerecht erlaube rechtlich die Überwachung und die Zensur von Kommunikation. Laut Freedomhouse könnte das Ausnahmerecht erneut verlängert werden. Die aktuelle Situation für Blogger beurteilt Guerra etwas weniger kritisch als RoG. Es gebe Repressionen, aber nicht die von RoG ebenfalls angeführten Folterfälle.
Das vielleicht am meisten genannte IGF-Prinzip, der partizipative Politikprozess, wurde von vielen Regierungsvertretern am Eröffnungstag als wichtige Errungenschaft gelobt. Dieses so genannte Multi-Stakeholder-Prinzip, bei dem Regierungen, Zivilgesellschaft und Unternehmen gemeinsam beraten, könne derzeit auf lokaler Ebene noch nicht eingesetzt werden, so Kamel. "Es braucht Zeit, bis wir das auf den Grass-Root-Level gebracht haben."
IGF-Sekretär Markus Kummer sagte, das Internet habe Gesellschaft und Wirtschaft verändert, Institutionen seien aber langsam bei Anpassungsprozessen. Bei regionalen IGFs, die inzwischen in allen fünf Kontinenten gestartet sind, werde aber mit der neuen Form des politischen Prozesses experimentiert.
Für Europa sagte EU Medienkommissarin Viviane Reding gegenüber heise online, sie würde es sehr begrüßen, wenn nicht nur Europaparlamentarier, sondern auch Abgeordnete nationaler Parlamente am IGF teilnähmen. "Es gibt einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft und auch bei Politikern, dass man die Welt des Internets nicht mit Maßnahmen der alten Welt regulieren kann. Es bedarf neuer Instrumente, diese kann man nicht von oben nach unten auferlegen. In dieser neuen Welt müssen Entscheidungen von unten nach oben gemacht werden."
Reding nannte mit Blick auf die Fragen zur Zugangsfreiheit die jüngste Entscheidung der europäischen Institutionen für einen "Grundrechtsschutz" wegweisend. Der Internetzugang könne danach nur beim Vorliegen "schwerwiegender Gründe" und nach einem "soliden Verfahren" verwehrt werden.
Wolfgang Kleinwächter, Berater des IGF-Vorsitzenden Nitin Desai, kritisierte gegenüber heise online die schwache Beteiligung aus den Reihen der Bundespolitik an der hochrangigen Internetkonferenz. Immerhin habe die neue Bundesregierung das Internet zu einem Kernthema erklärt. Solange Parlamentarier aus dem Bundestag den IGF-Debatten fernblieben, sei auch kaum mit einem Transport von Inhalten und Verfahren in die Bundespolitik zu rechnen.
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(anw)