Kommentar: Ein Windows für alles ist ein Windows für niemanden

Windows 10 ist ein Windows aus schlechten Kompromissen. PC, Tablet und Smartphone benötigen keine gemeinsame Oberfläche - sondern eine bessere Verzahnung unter der Haube, findet Achim Barczok.

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Von
  • Achim Barczok

Windows 8 war das beste, aber zugleich das schlechteste Windows aller Zeiten: Den vielen Verbesserungen hat Microsoft ein Kachelsystem übergestülpt, das keiner brauchte, das keiner wollte und das ohne Touch keinen Sinn macht. Deshalb ist Windows 8 gescheitert. Mit Windows 10 versucht Microsoft einen Kompromiss aus alt und neu, aus Kachel und Desktop – und hat dabei am eigentlichen Problem vorbeigedoktort. Desktop, Smartphone und Tablet brauchen keine gemeinsame Bedienoberfläche; sie müssen einfach nur besser miteinander funktionieren.

Die Mischung macht's (nicht): Kacheln im Startmenü

(Bild: Microsoft)

Mit der Kachel auf dem Desktop wollte Microsoft Touch und Desktop zusammenwachsen lassen. Davon erhoffte sich das Unternehmen einen Marktvorteil: Wenn 1,5 Milliarden Windows-Nutzer die Kacheln am PC kennenlernen, dann greifen sie ja vielleicht später auch zu einem Kachel-Phone oder einem Kachel-Tablet. Diese Hoffnung schlug fehl, Android und iOS haben den Mobil-Markt weiter fest in der Hand. Stattdessen ärgern sich Desktop-Nutzer heute über eine Nutzeroberfläche, die nicht zu ihrem PC passt.

Ein Kommentar von Achim Barczok

Achim Barczok ist Redakteur für mobile Hardware und beschäftigt sich bei c't mit mobilen Betriebssystemen, Smartphones, E-Book-Readern und Tablets.

Windows 10 soll es richten: Die Kacheln werden subtiler, das Startmenü kehrt zurück, Kachel-Apps bekommen Fenster. Auf Tablets verschiebt sich die Optik je nach Einsatz mal zur Kachel, mal zum Desktop hin. Dieser Kompromiss macht den Umgang mit Kacheln erträglicher, er vermischt aber zugleich Desktop- und Touch-Oberfläche noch mehr. Unterm Strich macht der fortgeführte Ansatz aus Inkonsistenzen nichts übersichtlicher und nichts intuitiver zu bedienen.

Um Mobil und Desktop zusammenwachsen zu lassen, braucht es kein Interface aus Kompromissen. Jeder Smartphone- und Tablet-Besitzer hat sich daran gewöhnt, dass ein handliches Gerät in der Tasche ohne Maus und Tastatur eine andere Bedienweise und eine andere Optik erfordert als der Desktop zu Hause - genauso wie der Fernseher, das Auto oder die Waschmaschine. Smartphone-Besitzer ärgern sich nicht ernsthaft darüber, dass sie im Windows Explorer Dateien klicken statt touchen müssen.

Wohl aber ärgern sie sich darüber, dass sie viele ihrer Smartphone-Daten noch immer nicht problemlos und unkompliziert lokal mit einem Windows-PC synchronisieren können. Dass ihre kompletten Unterlagen auf dem PC nur über Umwege auch auf dem Smartphone greifbar sind. Dass sie einen angefangenen Film auf dem einen Gerät nicht nahtlos auf dem anderen weiterschauen können. Dass die Suche auf dem Smartphone nicht auch den PC durchsucht, und dass Desktop-Anwendungen viel zu selten Spielstände, Dateien und Einstellungen mit mobilen Apps abgleichen.

Keine Frage, unter der Haube arbeitet Microsoft an dieser Brücke: Gemeinsame Apps und die stetig verbesserte Integration von OneDrive sind nur zwei von vielen Belegen dafür. Doch erst wenn Nutzer einen nahtlosen Übergang zwischen einem PC, einem Smartphone und einem Tablet mit Windows-Logo spüren, hätte sich Microsoft einen echten Marktvorteil geschaffen. (acb)