Kommentar: Energie statt Daten per Power over WLAN
Wieder einmal muss Nicola Tesla fĂĽr eine hanebĂĽchene Idee herhalten: WLAN-Router sollen mit Firmware-Tricks zu Energiequellen umfunktioniert werden. Ernst Ahlers setzt den Aluhut auf.
Das Internet of Things ist hungrig: Damit all die schönen neuen Spielzeuge das Leben bequemer machen, brauchen sie elektrische Energie. Batterien wechseln will aber niemand und noch mehr Steckernetzteile auch keiner. Schon Nicola Tesla träumte davon, Energie drahtlos zu transportieren. Seine Versuche mit Tesla-Spulen Anfang des 20. Jahrhunderts scheiterten am erbärmlichen Wirkungsgrad und lästigen Nebenwirkungen wie Ozonentwicklung. Forscher der University of Washington (UW) haben die Idee nun auf das Alltagsmedium WLAN umgemünzt. So will man genug Leistung in die Luft bringen, um IoT-Gadgets per PoWiFi drahtlos zu versorgen.
Tolle Leistung, aber...
Tatsächlich hat das UW-Team eine Kamera drahtlos durch eine Wand über anderthalb Meter mit Energie versorgt, die dann alle Viertelstunde ein Foto machen und speichern kann. Das ist fraglos eine tolle Leistung. Jedoch kam sie nur mit speziellen Randbedingungen zustande: Für den Versuch haben die Forscher laut Aufsatz eigens einen WLAN-Router mit drei 2,4-GHz-Funkmodulen konstruiert, der pro Modul das Zehnfache der hierzulande erlaubten Leistung abstrahlt (1 Watt EIRP statt 0,1), und das auch noch fast durchgehend, damit im zeitlichen Mittel genug Leistung ankommt.
Die Alltags-Umsetzung stellt man sich so vor: Gewöhnliche WLAN-Router werden mit Firmware-Trickserei dazu gebracht, als Energiequellen dauerzusenden, wenn im eigenen WLAN nichts los ist. Bei regulierungskonformer Sendeleistung kommt leider auch so über typische Entfernungen nicht genug Energie an, um bei einem modernen Gadget auch nur den aktuellen Ladestand zu halten, geschweige denn, es quer durch die Wohnung dauerhaft zu betreiben. Man wird bei elektronischen Heizungsthermostaten also wohl auch in Zukunft regelmäßig die Batterien wechseln müssen.
Störende Nachbarn
Dummerweise hält die Praxis noch eine Bremse bereit: Ohne Schutzmaßnahmen würden sich WLAN-Nachbarn permanent gegenseitig stören und nicht nur, wenn sie tatsächlich Nutzdaten übertragen. Deshalb ist ein Protokoll zur gegenseitigen Rücksichtnahme unabdingbar. Das steckt bereits im WLAN-Standard: Per Clear Channel Assessment (CCA) darf ein Router auch heute schon nur senden, wenn der Kanal frei ist. Daran werden sich auch PoWiFi-Router halten müssen, was den Forschern klar sein dürfte. So teilen sich direkte Nachbarn folglich auch bei PoWiFi die verfügbare Sendezeit und damit sinkt die lokal im Mittel verfügbare Leistung.
Für die weitere Umgebung droht PoWiFi sogar trotz CCA ärgerlich zu werden: Weil die Störreichweite eines WLANs viel größer ist als seine Nutzreichweite, werden Nachbarn auf der anderen Straßenseite fluchen, wenn PoWiFi-Bursts ihre gerade durch die Luft fliegenden Daten zerhacken. Wiederholungen und damit sinkender Durchsatz sind die Folge.
Extreme Pegel
Zumindest derzeit brauchen IoT-Devices offensichtlich zu viel Energie, um sich aus vorhandener WLAN-Strahlung speisen zu lassen. Da stellt sich die Frage, ob die passende Lösung ausgerechnet darin besteht, die WLAN-Sendeleistung auf extreme Pegel zu steigern. Anders als es die Erfolgsmeldung der Forscher suggeriert, funktioniert ihre Idee mit aktuell üblicher WLAN-Technik im Alltag jedenfalls nicht. (ea)