Kommentar: Im NSA-Skandal ist ein langer Atem gefragt!
In den vergangenen zwölf Monaten hat sich etwas geändert in Bezug auf den Datenschutz in Zeiten der Überwachung. Aber noch lange nicht genug und die Öffentlichkeit muss dran bleiben, findet der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Ein Jahr nach dem Beginn der Snowden-Veröffentlichungen hat sich mental einiges verändert, real sind wir aber kaum vorangekommen. Die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 weltweit eingeführten Überwachungsbefugnisse gelten weiter und die Geheimdienstetats wurden nicht zusammengestrichen. Die massenhafte Anwendung von Überwachungstechnik greift unverändert in globalem Maßstab in die Freiheitsrechte ein und gefährdet so die Grundlagen demokratischer Gesellschaften. Insofern besteht also kein Grund zum Jubel.
Positiv ist immerhin, dass Fragen der Überwachung und des Datenschutzes seither sehr viel stärker diskutiert werden. Auch wenn es sich bisher noch um eine Minderheit handelt: Immer mehr Menschen suchen nach Wegen, ihre Daten besser zu schützen – etwa durch Verschlüsselung. Auch Firmen, denen es um den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht, suchen nach Alternativen zu Cloud-Services, auf die Geheimdienste zugreifen können.
Weltweit ist auch Bewegung in die Datenschutzdiskussion gekommen. Ohne Snowden hätte es weder eine UN-Resolution zum Datenschutz noch den nahezu einhelligen Beschluss des Europäischen Parlaments zur EU-Datenschutzreform gegeben. Und ob der Europäische Gerichtshof ohne die Erkenntnisse zur Massenüberwachung die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung annulliert hätte, steht in den Sternen. Ein weiteres positives Zeichen ist, dass Internetdienste, die ihren Nutzern glaubwürdig mehr Sicherheit versprechen, stark steigende Nachfrage feststellen.
Schließlich findet selbst im Homeland der NSA, in den Vereinigten Staaten, eine Debatte zu den überbordenden Überwachungsaktivitäten statt. Barack Obama hat immerhin versprochen, die Befugnisse zum Ausspähen der eigenen Bevölkerung zu begrenzen. Ob aber auch der Schutz der Menschen verbessert wird, die nicht in den USA leben, ist völlig offen. Allgemeine Willensbekundungen sind hier völlig unzureichend – gefragt sind nachprüfbare Garantien und gesetzliche Regeln, die für In- und Ausländer gleichermaßen gelten.
Die größte Gefahr ist nun, dass die Öffentlichkeit der Überwachungsdiskussion müde wird und sich anderen Themen zuwendet. Rechtliche und technische Änderungen brauchen Zeit und sie werden sich nur durchsetzen lassen, wenn die Gesellschaft – Bürger, Nicht-Regierungsorganisationen, Datenschutzbeauftragte, Medien und Unternehmen – sich weiterhin intensiv damit beschäftigt, wie der umfassenden Registrierung und Überwachung entgegengewirkt werden kann. Es besteht also kein Anlass für eine Entwarnung, aber durchaus Grund zur Hoffnung.
Zu den Folgen des NSA-Skandals veröffentlicht heise online anlässlich des Jahrestags der ersten Snowden-Enthüllung mehrere Kommentare:
- Erich Moechel: Es ist Zeit, die Netze zurĂĽckzuerobern
- Dorothee Bär: Die technologische Souveränität zurückgewinnen
- Christoph Wegener: Ein Jahr NSA-Skandal und noch viel zu tun
(mho)