Landgericht DĂĽsseldorf: Begriff "Abzocke" Bestandteil der Meinungsfreiheit
Die Euroweb Internet GmbH musste vor dem Landgericht DĂĽsseldorf eine Schlappe hinnehmen. Das Gericht lehnte es ab, einem unzufriedenen Euroweb-Kunden die Weitergabe von Erfahrungsberichten zu verbieten.
Die Euroweb Internet GmbH musste am heutigen Mittwoch vor dem Landgericht DĂĽsseldorf eine Schlappe hinnehmen. Das Gericht lehnte es ab, einem unzufriedenen Euroweb-Kunden per Einstweiliger VerfĂĽgung die Weitergabe von Erfahrungsberichten zu verbieten. Das auf die Erstellung von Firmenwebseiten spezialisierte Unternehmen war in den vergangenen Wochen besonders in Foren und Weblogs in die Kritik geraten, weil es negative Ă„uĂźerungen ĂĽber das Unternehmen mit juristischen Schritten unterbinden wollte.
Im konkreten Fall wollte das Unternehmen eine Einstweilige Verfügung gegen den selbstständigen Tischler Günter Geisler erwirken. Der hatte im Jahr 2005 einen Vertrag zur Erstellung einer Webseite beim Internetdienstleister Euroweb unterschrieben und wollte kurze Zeit später von dem Vertrag zurücktreten, was von Euroweb jedoch abgelehnt wurde. Zurzeit befindet sich Geisler im Rechtsstreit mit Euroweb, weil er die Rechnungen des Düsseldorfer Unternehmens nicht zahlen will.
In Internetforen hatte sich der Handwerker nach anderen Euroweb-Kunden und deren Erfahrungen mit dem Unternehmen erkundigt. Im Forum der Webseite gulli.com führte die Anfrage zu beachtlicher Resonanz: Über 100 oft sehr kritische Beiträge waren in dem Thread zu finden. Nach einer Aufforderung von Euroweb löschten die Betreiber des Forums einige Beiträge. Für das Unternehmen nicht genug: Per Einstweiliger Verfügung ließ das Unternehmen noch weitere Beiträge löschen.
Geisler hatte im Forum seine Mailadresse angegeben und die Kommunikation mit anderen Euroweb-Kunden gesucht. Einigen Interessenten, die sich bei ihm meldeten, mailte er eine Zusammenstellung von Erfahrungsberichten, die ein anderer Euroweb-Kritiker zusammengestellt haben soll. Ăśber den Inhalt der Mails war Euroweb informiert, da auch der Euroweb-Anwalt Amin El Gendi unter falschem Namen die Informationen von Geisler angefordert hatte. Gegen die Weiterverbreitung dieser Mails wollte Euroweb nun gerichtlich vorgehen.
Dem Internetdienstleister missfiel besonders, dass Geisler mit dieser Zusammenstellung von teils anonymen Erfahrungsberichten auch ein Vergleichsangebot eines anderen Internetdienstleisters verschickt hatte. Wie der Euroweb-Anwalt ausführte, war das Unternehmen von einer Kampagne eines Konkurrenten ausgegangen, der Euroweb schon früher in verschiedenen Foren gezielt schlecht gemacht habe, um Kunden abzuwerben. Vor Gericht versicherte Geisler jedoch, nicht mit dem Unternehmen in Verbindung zu stehen, das Angebot war vor einiger Zeit von einem anderen Euroweb-Kunden angefordert worden und sollte lediglich zur Erläuterung der Marktpreise dienen.
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Düsseldorf machte in der Verhandlung schnell klar, dass er dem Antrag wenig Chancen einräumte. Geisler und Euroweb stünden in keinem Wettbewerbsverhältnis, daher sei das Wettbewerbsrecht hier nicht anwendbar. Auch die Grenze zu Beleidigung und übler Nachrede sah er nicht überschritten: "Zur Demokratie gehört ein Diskurs unter den Menschen", erklärte der Richter. Die in der Mail enthaltenen Formulierungen wie "Abzocke" oder "über den Tisch ziehen" sah er nicht als unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern als Unmutsäußerungen, die von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind. Allerdings mahnte er den Handwerker Geisler, vorsichtig bei dem zu sein, was er verbreite: "Es ist immer schwierig, eine Abgrenzung zu treffen."
Den Klägern hielt die Kammer vor, dass sie es sich mit der Antragsschrift zu einfach gemacht hatten, indem sie dem Beklagten pauschal die 36-seitige Zusammenstellung von Erfahrungsberichten verbieten lassen sollten, obwohl vieles davon wohl zwischen den Prozessparteien unstrittig sei. Zwar hatte Euroweb einige Eidesstattliche Versicherungen der eigenen Mitarbeiter beigebracht, die die Behauptungen in den Erfahrungsberichten widerlegen sollten; die namenlosen Berichte ließ das Unternehmen jedoch unkommentiert. An der Kritik des Richters änderte auch ein nachgereichter Hilfsantrag der Kläger wenig. Trotz der Ausführungen des Richters blieb die Klägerseite bei ihrem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung und muss nun die Gerichtskosten tragen.
Euroweb-Geschäftsführer Christoph Preuß erklärte nach der Verhandlung, dass die Foren- und Blogeinträge in seinem Unternehmen ein massives Problem darstellten. Er sei es seinen 160 Mitarbeitern schuldig gewesen, juristisch gegen die Behauptungen vorzugehen. Er habe nach den Veröffentlichung in den verschiedenen Weblogs mehrere Betriebsversammlungen abgehalten, weil die eigenen Mitarbeiter verunsichert gewesen seien. So sei der Thread auf Gulli.com in den ersten Suchergebnissen von Google aufgetaucht. Es sei ein "immenser Imageschaden" enstanden. (Torsten Kleinz) / (jk)