Lehren aus der NSA-Spähaffäre: Bundesjustizminister will Geheimdienste kritisch prüfen
Das Ausmaß der NSA-Spähaffäre hat auch Justizminister Heiko Maas überrascht. Jetzt will er Konsequenzen ziehen. Denn Verfassungsrechtler sehen heikle Parallelen zwischen dem US-Geheimdienst und dem Bundesnachrichtendienst in Deutschland.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will angesichts der NSA-Spähaffäre neu über die rechtlichen Grundlagen für die deutschen Nachrichtendienste reden. "Wir müssen kritisch überprüfen, was unsere Geheimdienste machen", sagte Maas gegenüber dpa. "Es darf keine rechtsfreien Räume geben – weder für die ausländischen noch für die inländischen Nachrichtendienste." Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hob unterdessen das harte Auftreten der Bundesregierung gegenüber den Amerikanern in der Spähaffäre hervor. Über die Aufnahme des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden in Deutschland wird weiter gestritten.
Rechtsfreie Räume
Maas sagte, auch für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes im Ausland seien klare rechtliche Grundlagen nötig. Renommierte Verfassungsrechtler hatten zuletzt beklagt, der deutsche Auslandsgeheimdienst agiere bei der Auslandsaufklärung weitgehend im rechtsfreien Raum und könne so, ähnlich wie die NSA, nach Belieben Daten sammeln, speichern und auswerten. "Wir müssen uns über unsere Kontrollmechanismen Gedanken machen", sagte der Minister.
Der BND plant derzeit ein größeres Programm zur technischen Modernisierung. Teil davon ist das Vorhaben, Weblogs, Foren und Portale wie Flickr, Facebook und Twitter künftig systematisch zu beobachten, noch während die Nutzer aktiv sind. So will der Geheimdienst Stimmungen in den Gesellschaften von Krisenländern schneller erfassen und in seine Lagebilder einflechten.
Anlasslose Datenspeicherung
Der Justizminister hat gegen das BND-Programm große Einwände. "Wir würden dadurch an einen Punkt gelangen wie bei der Vorratsdatenspeicherung – wo nämlich völlig anlasslos Daten und Informationen erfasst werden. Soziale Netzwerke komplett und wahllos in Echtzeit zu überwachen, wäre eine sehr umfassende Totalausspähung." Mit Blick auf die US-Spähaffäre sagte Maas: "Eigentlich sollte es nicht mehr, sondern weniger Überwachung geben. Das sollte die Konsequenz aus all dem sein, was aufgeflogen ist."
Vor gut einem Jahr war durch den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden bekanntgeworden, dass amerikanische Dienste im großen Stil auch in Deutschland Kommunikation überwachen und Daten abgreifen. Vor wenigen Wochen war ans Licht gekommen, dass US-Geheimdienstler womöglich beim BND und im Verteidigungsministerium Informanten angeworben hatten. "Das hat mein Vorstellungsvermögen überstiegen", sagte Maas.
"Harte Reaktion"
Kanzleramtsminister Altmaier sieht es aber als Erfolg, dass Deutschland darauf hart reagiert habe – etwa durch die Ausreiseaufforderung an einen US-Diplomaten. "Die Amerikaner wissen inzwischen auch, bei jeder nachrichtendienstlichen Aktion muss immer der Schaden mit in den Blick genommen werden, der damit angerichtet werden könnte", sagte er der Saarbrücker Zeitung.
Der Spiegel berichtete, laut einem internen Papier habe die Bundesregierung über noch härtere Konsequenzen nachgedacht – etwa darüber, die Regierungsgespräche mit Washington "für einige Wochen" auszusetzen oder die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA einstweilen zu stoppen. (jk)