Lesestoff: Kritik an identitärem Denken, die Befreiung der Arbeit, ein Diesel-Abgesang und viel 3D-Druck

Nicht für alles, was unter der Woche Interessantes online geht, ist auch die Zeit, es gleich zu lesen. Ein paar Hinweise zu Themen und Artikeln, die eine genauere Beschäftigung verdient haben.

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Von
  • JĂĽrgen Kuri

In diesen Zeiten will der Terror alle Stimmen der Freiheit und Menschlichkeit zum Schweigen bringen. Es gilt, sich dem nicht zu unterwerfen. Die Nachrichten von den Terroranschlägen in Paris aber beherrschen die aktuelle Berichterstattung - um so mehr Anlass, auf Themen und Artikel hinzuweisen, die über den Tag hinaus weisen. Nicht nur in so einer Woche bekommt man nicht alles mit, was interessant sein könnte. Oder hat die Zeit, es zu lesen, wenn man denn doch davon erfährt. So geht es uns selbst mit den Geschichten unserer eigenen Kollegen auch.

Etwa wenn es in Telepolis (das natürlich auch von den Ereignissen in Paris berichtet und den Folgen) um die "Fallstricke identitären Denkens" geht. Nicht nur aus Anlass von Pegida-Parolen und zunehmenden Hass-Kommentaren im Netz ein derzeit drängendes Thema: "Mit der neuen, aggressiveren Rolle Deutschlands im weltpolitischen Geschehen sind auch die Diskurse über den deutschen Nationalismus offensiver geworden. Damit einher geht eine Reihe medial und politisch vermittelter Feindbilder, die rassischen Stereotypen folgen." In zwei Teilen ("Die politische Bedeutung physiognomischer Unterschiede stellt stets eine Konstruktion dar" und "Der Deutsche, sein Nationalismus und 'Volkscharakter') entwickelt Rainer Schreiber im Interview mit Telepolis eine Kritik "identitären Denkens", das über einen fiktiven eigenen Nationalcharakter zu Abgrenzung, Feindbildern und Sündenbock-Konstruktionen neigt.

Einen ganz anderen Gedanken, der aber in diesen hasserfüllten Zeiten in ähnliche Richtungen führt, verfolgt Erik Müller-Zähringen in "Ungläubiges Staunen - Gläubiges Denken": Er "denkt Navid Kermanis Friedenspreis-Rede" nach und meint: "So erstaunlich scheint es, dass eine Rede (im Griechischen: logos) in eine religiöse Handlung mündet, dass es das viel Erstaunlichere verdrängt: wie eigentlich Religion ins Denken, wie Religion zur Vernunft (im Griechischen: logos) findet." Wer sich den Ausgangspunkt, Kermanis Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, noch einmal zu Gemüte führen möchte, findet den Volltext sowie eine Videoaufzeichnung der Rede online.

In ein nun doch ganz anderes Feld führt Hans-Arthur Mariske aus Anlass des Futurist Forum der Robotik-Konferenz IROS. "Die Befreiung der Arbeit durch die Maschine" klingt wie eine schöne Utopie - und ist es derzeit auch, da die Robotik und Konzepte von Industrie 4.0 eher nicht unter dem Aspekt diskutiert werden, dass Technologie heute eigentlich die Überflüssigkeit entfremdeter Arbeit materiell werden lässt. Dazu führte Marsiske auch ein Interview mit dem Wirtschaftsprofessor Guy Standing: "Die neue große Transformation" beschreibt "das erwachende Handlungsbewusstsein des Prekariats, bedingungsloses Grundeinkommen und das Versagen etablierter politischer Konzepte".

Ganz andere Themen haben die Kollegen von heise Autos – aber natürlich beschäftigt sie der Abgasskandal in den letzten Tagen weiterhin sehr intensiv. Aber das "Ende des Diesels - weil Volkswagen eine Software geschrieben hat"? Clemens Gleich glaubt nicht daran – und er hat gute Gründe. Dies unter anderem aufgrund aktueller Erfahrungen mit einer Tour im Diesel in den Alpen: "Der Plan war, im schönen Herbst mit einem französischen Bauernauto [hier gemeint: Citroen Cactus] auf den Col de Sommeiller hochzufahren, weil französische Bauernautos die gebräuchlichsten und insgesamt wahrscheinlich auch besten Fahrzeuge sind, diese Schotterstraßen hochzufahren, um ein gemütliches Picknick zu veranstalten. Auf jedem Schotterpass der Alpen wird man bei schönem Wetter mindestens einen Citroen Xsara Picasso in der Farbe 'babyblau mit Rostflecken' finden, der eine tratschende Familie zum oder vom Gipfel-Picknick trägt." Bei dieser Gelegenheit seien noch einmal die Hintergrundartikel von Gleich zum VW-Skandal ans Herz gelegt: Er analysiert in "Im Nebel des Abgasskandals: Bestandsaufnahme und technischer Hintergrund zur VW-Affäre" und "Abgas-Skandal: Was überschrittene Grenzwerte anderer Hersteller bedeuten" die technischen Hintergründe zum VW-Skandal.

Bei Technology Review ging es diese Woche unter anderem um die großen Hoffnungen, die mit dem 3D-Druck verbunden sind. Ein Unternehmen in Seoul will das massiv unterentwickelte Nordkorea nach einer erhofften Wiedervereinigung von Makern wiederaufbauen lassen. Die derzeit noch äußerst abgeschotteten Nordkoreaner könnten in Makerzentren mit der ganzen Welt zusammenarbeiten. Auch wenn das noch eine Zukunftsvision ist, sei aber schon absehbar, wer an der immer weiteren Verbreitung von 3D-Druckern am meisten verdienen wird: Die Anbieter der notwendigen Tinten und Druckmaterialien. (jk)