Manipulation in der Virtual Reality: Wenn der Avatar bei uns klaut

Virtual Reality gilt seit Jahren als tot. Oculus Rift hat den Hype um die künstliche Welt wiederbelebt. Diesmal, so glauben Experten, könnte sie den Durchbruch schaffen. Aber sie wird auch ganz neue Möglichkeiten bieten, um uns zu manipulieren.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Der Stanford-Psychologe Jeremy Bailenson erforscht seit Jahren wie sich Menschen per Avatar in der virtuellen Realität verhalten, in ihr kommunizieren und wie Erlebnisse in der künstlichen Realität zurückwirken auf das reale Leben.

Wie Technology Review in seiner neuen Ausgabe 09/2014 berichtet (das Heft können Sie online bestellen), fand Bailenson in Studien heraus, dass in der virtuellen Welt viele psychologische Effekte genauso wirksam sind wie in der Realität. Darunter solche, die unbewusst in der nonverbalen Kommunikation wirken.

Beispielsweise empfinden wir Menschen, die uns ähnlich sehen, unbewusst als sympathischer. Virtual Reality bietet hier neue Möglichkeiten der Manipulation: In einer Studie mischte Jeremy Bailenson in Porträtbilder von Probanden entweder ein Bild von George W. Bush oder eines von John Kerry. Als die Versuchspersonen anschließend für einen Politiker stimmen sollten, bevorzugten sie unbewusst jenen Politiker, dessen Bild Anteile ihres eigenen Porträts enthielt. Erst als der hineingemischte Bildanteil über 43 Prozent stieg, erkannten die Probanden die Bildmanipulation. In der virtuellen Realität wäre es möglich, bei einer Unterhaltung per Avatar, automatisch das Porträt des Gesprächspartners in das des eigenen Avatars zu morphen. Man würde so dem Gesprächspartner vertrauenswürdiger erscheinen.

Die Möglichkeiten sind aber noch weitreichender. „Sie können beispielsweise automatisch das Verhalten des Gegenübers spiegeln“, sagt der Medienpsychologe Gary Bente von der Universität Köln im Interview mit TR. Dieser als Mimikri bekannte Effekt ist ein bekannter und wichtiger Faktor in der nonverbalen Kommunikation. Er lässt das Gegenüber sympathischer, vertrauenswürdiger und intelligenter erscheinen. Die Nachahmung muss allerdings mit Verzögerung erfolgen. Liegt sie bei unter vier Sekunden, fühlen sich Menschen nachgeäfft.

Bente hat die Möglichkeiten der Manipulation in VR-Studien nachgewiesen: „Beispielsweise haben wir bei Avatar-Konferenzen per Algorithmus das Blickverhalten des Gegenübers geklaut und durch ein computergeneriertes Blickverhalten mit erhöhtem Blickkontakt ersetzt – mit dramatischen Effekten für die Sympathie.“ Bente: „VR-Social-Networks bieten also ganz neue Möglichkeiten der Manipulation – aber auch ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation.“

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(jlu)