Medientage: "Sexuelle Verwahrlosung" durch Online-Pornos?
Werden Jugendliche durch im Netz leicht erhĂ€ltliche Pornografie in ihrer Entwicklung beeintrĂ€chtigt? Damit beschĂ€ftigte sich eine Expertenrunde auf den Medientagen: JugendschĂŒtzer warnen vor der Porno-Welle im Netz, der Sexualforscher hĂ€lt das fĂŒr Sensationsmache.
Unter dem zugkrĂ€ftigen Motto "Fesselsex statt Flaschendrehen [1]" lud die Kommission fĂŒr Jugendmedienschutz (KJM [2]) am gestrigen Mittwoch zur Diskussionsrunde auf den MĂŒnchner Medientagen [3]. Doch fand die Expertenrunde um KJM-PrĂ€sident Wolf-Dieter Ring keine Anhaltspunkte dafĂŒr, dass die aus Sicht der Medienkontrolleure enorm gewachsene VerfĂŒgbarkeit von Pornographie im Internet tatsĂ€chlich zur "sexuellen Verwahrlosung" von jungen Menschen gefĂŒhrt habe. Als "reines MedienphĂ€nomen" und sogar "Sensationsmache" bezeichnete der Leipziger Sexualforscher Kurt Starke den Begriff.
Die hierzulande legale Pornographie, laut Gesetz von Kindern fernzuhalten, bilde lĂ€ngst nicht mehr nur BlĂŒmchensex ab, warnte dagegen KJM-Stabschefin Verena Weigand. Das im Netz erhĂ€ltliche Material enthalte Darstellungen hĂ€rterer Sexualpraktiken wie etwa FĂ€kalsex oder Sex im Zusammenhang mit Gewalt. Insgesamt werde die Anzahl der Pornoseiten im weltweiten Netz auf 420 Millionen geschĂ€tzt. Die Mitarbeiter der KJM hĂ€tten sich das in dieser Form nicht vorstellen können, "als uns 2003 die Aufgabe ereilte, das Internet mit zu beaufsichtigen", erklĂ€rte Weigand.
Rechtsanwalt Marko Dörre, der fĂŒr den Bundesverband Erotikhandel [4] in der Runde saĂ, warf die Frage auf, ob die KJM mit ihrem ehrenhaften, aber auch symbolischen Kampf gegen Pornos im Netz nicht ein irrefĂŒhrendes Zeichen setze: "Geben Sie den Eltern damit nicht das Signal, das Internet wird irgendwann sauber sein und sie können ihre Kinder nachmittags einfach davor setzen?" TatsĂ€chlich werde man Pornographie aber nicht mehr aus dem Netz heraus bekommen. Bei 420 Millionen Seiten und 1000 von der KJM gefĂŒhrten Verfahren in sechs Jahren "können Sie ausrechnen, wie lange sie noch brauchen". Dörre will dagegen die Eltern in die Verantwortung nehmen.
Verbieten lasse sich Pornographie tatsĂ€chlich nicht, meinte auch Starke. Der Sexualforscher stimmte seiner ebenfalls geladenen Kollegin Petra Grimme zwar zu, dass junge MĂ€nner rund viermal so viel Pornographie im Netz konsumierten wie junge Frauen. Dennoch falle jungen Menschen zum Thema SexualitĂ€t heutzutage als Erstes immer noch "Liebe" ein. Das Alter fĂŒr erste sexuelle Erfahrungen sei in den vergangenen 20 Jahren konstant geblieben. Die ersten sexuellen Erfahrungen machten Jugendliche meist zu Hause mit einem Partner, den die Eltern kennen. Zudem gebe es keine Hinweise, dass junge Menschen die Partner hĂ€ufiger wechselten.
(vbr [5])
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[4] http://www.beh-ev.de/
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