Messzug und Milliarden – Bahn braucht mehr Geld fürs Netz

Dass Gleisanlagen gut in Schuss gehalten werden, ist für Millionen Fahrgäste wichtig – sonst drohen mehr Verspätungen. Doch nicht nur für Brückensanierungen fehlt Geld. Bahn und Bund ringen nun um mehr.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Ulrike von Leszczynski
  • Sascha Meyer
  • dpa

Das quietschgelbe Arztmobil auf Schienen hat alles an Bord, was ein Herz aus Stahl begehrt: Ultraschall, Sonden, Laser und Monitore, auf denen Messkurven flimmern. "Schienen-EKG" sagen die Techniker scherzhaft, wenn sie mit dem Messzug "Railab 1" auf dem gut 33.000 Kilometer langen Netz der Bahn unterwegs sind. Der umgebaute Intercity ist vom Schotter bis zur Oberleitung auf Checks der Infrastruktur eingestellt. Ein Haarriss? Rost? Eine Delle? Vorsorge soll teure Not-Operationen vermeiden. Für die grundlegende Pflege der strapazierten Schienenadern in Deutschland soll aber mehr Geld her.

Der Messzug wird bundesweit eingesetzt, um die Linienzugbeeinflussungsanlagen (LZB) und die Signaltechnik entlang des Fahrweges zu messen.

(Bild: Christian Bedeschinski / Deutsche Bahn AG)

"Die Sicherheit ist nicht in Gefahr", sagt Bahnchef Rüdiger Grube. Sehr wohl gelte dies aber für Qualität und Leistungsfähigkeit von Gleisen und Anlagen, sprich: Es drohen mehr unpünktliche Züge. Auf 30 Milliarden Euro schätzt der bundeseigene Konzern inzwischen den Investitionsstau – von Gleisen über Weichen, Signale und Tunnel bis zum Rangierbahnhof. Rund 9000 der insgesamt 25.000 Brücken sind älter als 100 Jahre, 1400 müssten akut saniert werden. Finanzierbar seien derzeit aber nur 125 im Jahr, erläutern die Bahn-Manager. Nötig wäre für ein Investitionsprogramm rund eine Milliarde Euro extra im Jahr.

Der gelbe Messzug fährt an diesem Tag von Berlin Richtung Magdeburg. Es ist ein Routinecheck auf der Strecke, vorgeschrieben alle sechs Monate. Die Kamera an der Lok spielt die Bilder vom Schienenstrang ins Innere. Leise surrt ein Drucker und spuckt eine lange schwarze Zickzack-Linie aus. Werte, die ein Laser dem Gleisbett abgefühlt hat. An einer Stelle schlägt die Kurve nach oben und unten aus – eine kleine Unregelmäßigkeit. Da muss vor dem nächsten Check ein Werkstatt-Trupp ran, Schotter stopfen wahrscheinlich. Kein Drama.

Doch es bleibt nicht bei Kleinigkeiten. Neben Brücken gelten andere Anlagen inzwischen als so altersschwach, dass Reparaturen allein nicht reichen. Der Faktor Zeit tickt auch für manche Bahndämme und Tunnel, für Gleise, Schwellen und alte Stellwerkstechnik. Dabei fließen schon erhebliche Summen in die Infrastruktur. Für den Erhalt des Netzes – beispielsweise den Austausch von Weichen – schießt der Bund in diesem Jahr 2,75 Milliarden Euro zu. Von der Bahn kommen 500 Millionen Euro dafür. Daneben muss der Konzern vertraglich mindestens eine weitere Milliarde Euro in die Instandhaltung stecken, also die alltägliche Pflege. Mittlerweile gibt er dafür 1,6 Milliarden Euro aus.

Über die grundlegende Finanzierungsvereinbarung für die Jahre ab 2015 verhandeln Bund und Bahn gerade. Dabei ist im Prinzip unstrittig, dass mehr Geld garantiert werden soll. Allerdings will der Bund ein genaueres Auge darauf haben, dass Geld tatsächlich in neuralgische Punkte wie die Brücken fließt, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betont. Die künftige Finanzausstattung betrifft dabei nicht nur die bundeseigene Bahn. Rund 390 andere Anbieter nutzen das Netz und wollen Zuverlässigkeit. Schließlich zahlen sie Gebühren – im Schnitt etwas mehr als vier Euro pro Kilometer. Kritiker monieren, zu viel Geld fließe in zweifelhafte Prestigeprojekte wie Stuttgart 21.

Der gelbe Messzug hängt in Berlin-Wannsee fest, weil Kupferdiebe Erdungskabel gestohlen haben. Ein alltägliches Vandalismus-Ärgernis, das den Fahrplan durcheinanderbringt und Zusatzkosten verursacht. An Bord wird es voller. Das Eisenbahn-Bundesamt schaut ohne Anmeldung vorbei. Die Aufsichtsbehörde will prüfen, ob korrekt gemessen wird. Die Sicherheitsvorschriften gehören zu den strengsten in Europa.

Martin Allweil, Leiter der Fahrwegmessung bei der DB Netz AG, macht sich da wenig Sorgen. Der Messzug kann Abweichungen von Soll-Werten im Millimeterbereich feststellen. Rund sechs Millionen Euro kostet ein "Railab". Das Herzstück der Messtechnik hat die Bahn Mitte der 90er Jahre selbst entwickelt. Von den Prüffahrten bekommen die Fahrgäste in den ICEs und Regionalzügen meist nichts mit. Kabel und Betonschwellen sind nicht gerade sexy. Aber ohne sie läuft nichts. (anw)