Musikindustrie: BGH-Urteil kein Filesharing-Freifahrtschein
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Elternhaftung bei Filesharing erneuert die Musikbranche ihre Forderung nach einem Warnhinweismodell nach französischem Vorbild.
"Eltern haften nicht für ihre Kinder": So lautet der Tenor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Donnerstag, die der vor dem höchsten deutschen Gericht unterlegenen Musikindustrie nicht schmecken dürfte. So sehen Branchenvertreter nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Elternhaftung bei Filesharing vom Donnerstag auch weiterhin die Notwendigkeit eines "konsistenten Haftungs- und Durchsetzungsrahmens" und rühren die Trommel für ein Three-Strikes-Warnmodell.
Der BGH hatte entschieden, dass Eltern grundsätzlich nicht für den illegalen Musikupload eines minderjährigen Kindes haften, wenn sie es ausreichend über das Verbot einer Teilnahme an Tauschbörsen im Internet belehrt haben und keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen vorgelegen haben. Das Urteil bedeutete eine Schlappe für die Musikindustrie, die mehrere tausend Euro Schadenersatz und Anwaltsgebühren verlangt hatte. In dem konkreten Fall hatte ein 13-Jähriger illegal Musik heruntergeladen und im Netz verbreitet (Az. I ZR 74/12).
"Die aktuelle Erklärung des BGH sollte keinesfalls als ein Freifahrtschein für betroffene Eltern oder ihre Kinder zum 'sorglosen Filesharing' missinterpretiert werden", mahnt der Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke. Der Branchenvertreter erhofft sich weitere Klarheit von der Urteilsbegründung. Aus seiner Sicht bedeutet das Urteil jedoch nicht, "dass Eltern nach einmaliger Belehrung sich nun nicht mehr um das Surfverhalten ihrer Kinder kümmern müssen".
Genau so sehen es dagegen die Verbraucherschützer. Eltern sollen ihr Kind darüber aufklären, dass das Tauschen urheberrechtlich geschützter Werke im Internet illegal ist. Nach dem Gespräch sollten sie sich am besten eine kurze Notiz im Kalender machen, rät Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Mit der Notiz können Eltern im Zweifelsfall belegen, dass sie ihren Aufklärungspflichten nachgekommen sind und wann sie mit dem Kind über das Thema gesprochen haben.
Ehrig empfiehlt darüber hinaus, mit Kindern über die Hintergründe von Raubkopien und Urheberrechtsverletzungen zu reden: "Reine Verbote bringen meist nichts, das kennt man ja auch aus anderen Lebensbereichen." Allerdings reicht das bloße Aufklären nicht immer: Anders ist der Fall zum Beispiel, wenn die Eltern konkrete Anhaltspunkte für illegale Downloads haben. "Wenn das Kind schon einmal was gemacht hat, muss es eventuell schärfer kontrolliert werden", sagt die Rechtsanwältin Sabine Sobola der dpa.
Oder es setzt eine Ohrfeige. Dieser Ansicht scheint der Anwalt zu sein, der die Musikindustrie vor dem BGH vertreten hat. Der Fall werfe "ein grelles Licht" darauf, dass für viele Eltern der Begriff "Erziehungsaufgabe" zu einem "Fremdwort" geworden sei, sagte Rechtsanwalt Hermann Büttner laut einem Bericht von Spiegel Online. Während früher "auch mal eine Ohrfeige nicht geschadet" habe, ließe man Kinder heute "an freier Leine laufen".
Welchen Ansatz der BGH bei seinem Urteil im Sinn hatte, darüber wird die noch nicht veröffentlichte Urteilsbegründung Aufschluss geben. Der BVMI setzt darauf, "dass der BGH in seiner Urteilsbegründung die Chance wahrnimmt, Eltern klarere Vorgaben für einen verantwortungsvollen Umgang ihrer Kinder mit dem Internet an die Hand zu geben".
Auch das bei solchen Gelegenheiten immer wieder hervorgekramte Warnhinweismodell nach französischem Vorbild könnte nach Ansicht der Musikindustrie bei der elterlichen Erziehungsarbeit helfen. "Nach Erhalt einer solchen Warnung gäbe es somit die Möglichkeit, den Vorgang innerhalb der Familie zu diskutieren", meint Drücke. "Leider scheitert die Einführung eines solchen Modells sowohl an der dafür notwendigen Kooperation der Internet-Service-Provider als auch am Bundesjustizministerium, das mit Begriffen wie 'Angst-Modell' gezielt Stimmung dagegen macht." (mit Material von dpa) / (vbr)