NSA-Enthüllungen: Geheimdienst tappt im Dunkeln über Umfang der kopierten Dokumente

Die NSA ist berüchtigt für ihre Überwachungsprogramme - doch der mächtige US-Geheimdienst weiß immer noch nicht, welche Dokumente Edward Snowden mitgenommen hat. Und auch gegen ähnliche Aktionen möglicher künftiger Informanten ist die NSA nicht gewappnet.

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Von
  • Jürgen Kuri

James R. Clapper, US-Geheimdienstdirektor, will mit besserer Überwachung innerhalb der NSA Inside-Jobs künftig verhindern

Eigentlich sollte so ein Geheimdienst ja wissen, was er so alles an Informationen sammelt. Und wissen, wer so alles darauf Zugriff hat. Und möglicherweise ja auch noch wissen, was diejenigen mit Zugriff mit den Informationen anfangen. Im Fall Edward Snowden und den NSA-Enthüllungen gilt dies alles nicht. Möglicherweise ist die Vorstellung ja auch naiv. Möglicherweise ist die NSA aber auch einfach nur nicht der allmächtige Koloss, als der sie sich gerne selbst darstellt. Und als der sie auch nach den Enthüllungen aufgrund der Dokumente des NSA-Whistleblowers Snowden erscheinen mag.

Jedenfalls habe die NSA die Sicherheitslücken, durch die Edward Snowden unbemerkt zahllose Dokumente kopieren konnte, immer noch nicht geschlossen, meinte der US-Geheimdienstdirektor James Clapper bei einer Anhörung im US-Kongress. "Wir werden den Einsatz von Überwachungssoftware vorantreiben, um Gefahren durch Insider besser erkennen zu können", sagte Clapper laut dpa. Der Geheimdienst wolle stärker kontrollieren, welche Mitarbeiter welche Dokumente ansehen. Das System sei allerdings noch nicht vollständig einsatzbereit. "Es gibt keine Mausefalle, um sicherzustellen, dass es nie wieder einen weiteren Edward Snowden geben wird."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Anders als bei vielen Unternehmen, die schon lange wissen, dass "Inside-Jobs" mit zu den größten Sicherheitsrisiken bei Angriffen auf die IT-Systeme und bei Industriespionage gehören, scheint sich dies noch nicht überall in der NSA herumgesprochen zu haben. So machte es der Geheimdienst Snowden offensichtlich recht leicht, an die interessanten Dokumente heranzukommen. Laut einem Bericht der New York Times vor wenigen Tagen hat der Whistleblower für seine Informationsbeschaffung keine Spezialsoftware benutzt, sondern auf klassische Webtechnik gesetzt. Er ließ entsprechend konfigurierte Crawler laufen, die sich weitgehend automatisch durch die internen NSA-Netze bewegten und dabei alle besuchten Dokumente kopierten.

Allerdings arbeitete Snowden auch über eine Vertragsfirma bei der NSA. Dass er in großem Stil Dokumente kopieren konnte, habe auch an fehlenden Sicherheitsvorkehrungen in der NSA-Außenstelle in Hawaii gelegen. "Wäre er in Fort Meade gewesen, dem NSA-Hauptquartier, wäre er wahrscheinlich eine ganze Zeit vorher aufgefallen", sagte Clapper.

Trotz aller Untersuchungen tappt die NSA zudem immer noch im Dunkeln, welche Unterlagen Snowden denn überhaupt kopiert und mitgenommen hat. Snowden habe gewusst, wie er sich unauffällig durch die Computersysteme des Nachrichtendienstes bewegen konnte. "Er wusste genau, was er tut", sagte Clapper. "Er ist gekonnt unter dem Radar geblieben." Die Zahl von 1,7 Millionen Dokumenten, die zuvor die Runde machte, sei eine Schätzung. "Wir wissen nicht wirklich, was er mitgenommen hat und was er seinen Komplizen zur Verfügung gestellt hat."

Dass Clapper von "Komplizen" redet, verwundert nicht: Er hatte sich bei einer früheren Anhörung im US-Senat weit aus dem Fenster gelehnt und erklärt, Snowden sei für eine Zunahme der Terrorgefahr in den USA verantwortlich. Weil Snowden zahlreiche vertrauliche Dokumente an die Medien gegeben habe, sei "die Nation weniger geschützt und ihr Volk weniger sicher." Es sei ein "tiefgreifender Schaden" entstanden. (jk)