NSU-Morde: Ermittler rasterten doch

Die Bundesregierung räumt ein, während der Ermittlungen gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" seien Rasterfahndungsmethoden eingesetzt worden.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Beteuerung der Bundesregierung, fĂĽr die Ermittlungen zu den NSU-Morden seien keine Rasterfahnungsmethoden eingesetzt worden, kommt ins Wanken. Aus der schriftlichen Antwort der Bundesregierung (PDF-Datei) auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko geht hervor, dass die "BAO Bosporus" insgesamt 80 Mal richterlich angeordnet Daten abgeglichen haben. Dabei wurden 13 Millionen Finanztranaktionsdaten, 1 Million Vertragsdaten von Autovermietungen und 300.000 HotelĂĽbernachtungen mit den bereits bekannten Funkzellenabfragen abgeglichen.

Die Rasterungen der Ermittler blieben letztlich erfolglos, weil ihre Annahmen nicht stimmten. Die "Besondere Aufbauorganisation Bosporus" suchte im kurdisch-türkischen Milieu nach Spuren organisierter Kriminalität und Bandentätigkeiten wie Menschenschmuggel. Erst mit dem Selbstmord zweier Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) am 4. November 2011 begannen die Ermittlungen im rechtsradikalen Milieu.

Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen bekannte der BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, die Ermittler hätten sich vielleicht zu sehr in die Theorie eines kriminellen Hintergrunds der Attentate verbissen. Sie hätten auch rechtsextreme Motive geprüft und sich nicht nur auf "Türken, Türken, Türken" konzentriert. Doch habe es für die Theorie eines rechtextremistischen Hintergrunds der Erschießungen keine "festmachbare" Hinweise gegeben.

Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko meint, die Ermittlungen der "BAO Bosporus" zeigten, dass Speichern der Telekommunikation auf Vorrat, Funkzellenabfragen und Rasterfahndungen nicht zum erfolgreichen Kampf gegen Gruppierungen wie den "Nationalsozialistischen Untergrund" beitrügen. "Den Behörden, insbesondere den Verfassungsschutzämtern, fehlt der Wille zum Blick nach rechts. Ich unterstütze deshalb die Forderung nach ersatzloser Abschaffung der Inlandsgeheimdienste".

Zum Jahrestag der Aufdeckung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" hat die tageszeitung ein Dossier zur Terrorzelle veröffentlicht, das das Ausmaß des Staatsversagens dokumentieren soll. Für kommenden Sonntag ruft das Bündnis gegen Rassismus zu einer Demonstration in Berlin auf. Auch das Bundeskriminalamt beschäftigt sich auf seiner Herbsttagung in Wiesbaden mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

BKA-Chef Jörg Ziercke (SPD) hatte in einem SPD-Fachgespräch zum rechten Terror die Bildung einer "Special Task Force" angekündigt, die bei Morden und Sprengstoff-Attentaten prüfen soll, ob rechtsextreme Hintergründe eine Rolle spielen. Zudem forderte Ziercke eine Migrantenquote für deutsche Polizeibehörden. (anw)