Netflix: Kein Schnellschuss bei 4K-Videos mit erhöhtem Kontrast
Netflix-Technikchef Neil Hunt hat sich im Gespräch mit heise online zu den Herausforderungen geäußert, die die Auslieferung von HDR-Videos aktuell mit sich bringen - und erklärt, warum man dem Vorstoß von Amazon nicht gleich folge.
"Nicht nur mehr, sondern vor allem schönere Pixel" – so lautet einer der Grundsätze, die man vom Netflix-Technikchef Neil Hunt häufiger hört. Passend dazu sollen die Kunden des Video-on-Demand-Dienstes Filme und Serien nicht nur in ultrahoher Auflösung mit 3840 × 2160 Bildpunkten (2160p oder etwas ungenauer "4K") sehen können, sondern künftig auch mit erhöhtem Kontrast- (High Dynamic Range). Aktuelle TVs ohne HDR-tauglichem Panel verwenden nur 256 Helligkeitsstufen (8 Bit) für jeden der Rot-, Grün- und Blau-Farbkanäle.
Doch 4K-Videos in HDR lassen bei Netflix bislang auf sich warten – obwohl der Dienst auf der CES im Januar gemeinsam mit Sony und LG bereits HDR demonstriert hatte. Einen Schritt ist Amazon und bietet bereits Serienepisoden mit erhöhtem Kontrast an – zumindest Kunden mit passendem Samsung-Fernseher. heise online fragte daher einmal beim Technikchef nach, wo der Grund für die Zurückhaltung liegt.
Eine Frage des Formats
Laut Neil Hunt liegt das Problem bei fehlenden Spezifikationen beziehungsweise einem Mangel an passenden Endgeräten. Schließlich sage der Begriff HDR erst einmal lediglich aus, dass der Kunde ein kontrastreicheres Bild erhalte. Die dafür nötigen Informationen können aber auf unterschiedliche Weise kodiert und zum Fernseher transportiert werden. Und das TV-Gerät muss dieses Format natürlich auch dekodieren können.
Eine fertige Lösung hat hier etwa Dolby mit "Dolby Vision", das 4096 Helligkeitsstufen (12 Bit) unterscheidet. Diese können für eine speicherplatz- und bandbreitensparende Übertragung auf 10 Bit gemappt werden – wobei sich Dolby daran orientiert, welche Helligkeitsstufen das menschliche Auge überhaupt unterscheiden kann.
Das Problem ist hier aber ein Mangel an passenden Fernsehern: Der TV-Hersteller VIZIO hatte im April zwar in seiner "Reference"-Serie 65 und 120 Zoll große Ultra-HD-Fernseher mit Dolby Vision-Technik für den US-Markt angekündigt, erhältlich sind die Geräte bislang aber noch nicht. Bei anderen HDR-Formaten, etwa dem der Ultra HD Alliance (UHDA), ist wiederum die Spezifikation noch nicht fertig.
Netflix hat sich laut Hunt daher entschieden, erst einmal die weitere Entwicklung abzuwarten. Der Technikchef geht davon aus, dass der VoD-Dienst am Ende wohl zwei HDR-Formate unterstĂĽtzen wird. Dolby Vision und das kommende UHDA-Format seien dabei nach aktuellem Stand aussichtsreiche Kandidaten.
Sony Pictures Home Entertainment und Dolby haben jüngst eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit beim Mastering von Filmen in Ultra-HD-Auflösung mit HDR geschlossen. Demnach setzt Sony für seine Filme künftig Dolby Vision ein; auch Katalogtitel sollen in Dolby Vision erscheinen.
Warten statt Starten
Dem Beispiel von Amazon wolle Netflix laut Hunt nicht folgen. Um bereits HDR-Videos ausliefern zu können, müsse der Konkurrent die HDR-Videos nämlich in einem proprietären Format übertragen, das speziell auf die Decoder in den Samsung-Fernsehern zugeschnitten sei. Will Amazon weitere TV-Hersteller ins Boot holen, müsste der Dienste folglich jeweils auf deren Geräte zugeschnitte HDR-Videostreams generieren.
Netflix setze hingegen lieber auf klare Spezifikationen. So könne man künftig gewährleisten, dass Käufer von 4K-TVs, die eines der unterstützten HDR-Formate beherrschen, auch tatsächlich Netflix-Videos mit erhöhtem Kontrastumfang darstellen können. Eine Anpassung des ausgespielten Videobildes an einzelne TV-Modelle sei dann weiterhin über Metadaten möglich, falls dies gewünscht wird.
Auch der Branchenverband CEA (Consumer Electronics Association) setzt sich fĂĽr Mindestanforderungen ein, die ein HDR-tauglicher Fernseher kĂĽnftig erfĂĽllen soll. (nij)