Niedersachsen: Abgeordnetenwatch sorgt für gläsernen Landtag

"Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen", sagte Abgeordnetenwatch-Mitbegründer Gregor Hackmack. Deswegen sei es wichtig, "sich einzumischen, Politiker mit den eigenen Anliegen zu konfrontieren, Aussagen kritisch zu hinterfragen."

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  • dpa

Politikinteressierte in Niedersachsen können sich freuen: Seit dieser Woche ermöglicht das unabhängige Internetportal Abgeordnetenwatch allen Bürgern einen direkten Draht in den niedersächsischen Landtag. "Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen", sagte Mitbegründer Gregor Hackmack. Deswegen sei es wichtig, "sich einzumischen, Politiker mit den eigenen Anliegen zu konfrontieren, Aussagen kritisch zu hinterfragen."

Das Plenum des niedersächsische Landtags während der Debattte um den Neubau

(Bild: Niedersächsischer Landtag)

Die Seite zum niedersächsischen Landtag bietet den Nutzern neben rückblickenden Informationen über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten oder die Besetzung der Ausschüsse auch die Möglichkeit, den Parlamentariern direkte Fragen zu stellen. Darüber hinaus kann sich jeder über die Lebensläufe der Abgeordneten informieren. Die Daten hierfür erhalten die Betreiber direkt von den Parlamenten.

Die Initiative war 2004 zunächst ein auf Hamburg beschränktes, ehrenamtliches Projekt. Nachdem die Gründer, zwei Jungunternehmer, immer mehr Parlamente in ihren Blick nahmen, entwickelte sich der Bürgerservice zum kleinen Unternehmen mit Vollzeitkräften. Nach eigenen Angaben finanziert sich Abgeordnetenwatch aus Spenden und Förderbeiträgen. Unabhängigkeit und Überparteilichkeit werden durch ein Kuratorium überwacht, dem Persönlichkeiten aus vielen Teilen der Gesellschaft angehören.

Zum Start der Seite beteiligten sich alle 152 Abgeordnete der fünf Fraktionen an der Internet-Initiative. Lediglich die Regierungsmitglieder Bernd Althusmann, Aygül Özkan, Gert Lindemann und Johanna Wanka sind wegen ihres fehlenden Landtagmandats nicht in der Datenbank und somit auch nicht erreichbar. Die einsehbaren Abstimmungen – generell werden nur namentliche Entscheidungen eingestellt – sind noch unvollständig. So fehlt beispielsweise das Ergebnis zur Entscheidung für den Abriss des maroden Landtagsanbaus von Architekt Dieter Oesterlen. "Derzeit überprüfen wir noch die Protokolle", betonte Hackmack.

Die meisten Parlamentarier begrüßten die neue Offenheit im Netz. "Die Aktion ist ein wichtiger Beitrag für mehr Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen", sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Landtagspräsident Hermann Dinkla reagierte eher reserviert. Grundsätzlich lebe eine Demokratie zwar von der Transparenz politischer Prozesse und Entscheidungen. "Es liegt aber in der Entscheidung eines jeden Abgeordneten, sich an einer solchen Plattform zu beteiligen und deren Fragen zu beantworten", sagte Dinkla der Nachrichtenagentur dpa. Jeder Mandatsträger müsse vor diesem Hintergrund prüfen, wie eine größtmögliche Bürgernähe gewährleistet werden könne.

Nach Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg ist Niedersachsen das fünfte Landesparlament, das dauerhaft von Abgeordnetenwatch beobachtet wird. Ganz neu ist das Protal für die Parlamentarier in Niedersachsen übrigens nicht: Während des Wahlkampfs 2008 hatte es bereits den Online-Dialog ermöglicht. Seit 2006 sind auch der Bundestag und seit 2007 das EU-Parlament im Internet einsehbar.

Deutschlandweit hat das Portal nach eigenen Angaben täglich rund 10.000 Besucher, jährlich informieren sich rund 3 Millionen Internetnutzer bei Abgeordnetenwatch. In der Vergangenheit haben die veröffentlichen Informationen auf der Seite bereits mehrfach für Aufsehen gesorgt, etwa bei der geplanten Diätenerhöhung im Bundestag 2008 oder 2010 wegen der Nebentätigkeiten des ehemaligen Finanzministers Peer Steinbrück (SPD). (jk)