Online Ad Summit: “Werbung muss invasiv sein”

Auf der Konferenz in Köln ging es um das Streitthema Qualität in der Onlinewerbung. Die deutsche Branche weist Vorwürfe von sich und verspricht saubere und intelligentere Werbung.

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Online Ad Summit: ?Werbung muss invasiv sein?

Vertreter der deutschen Werbebranche betonten in Köln die Qualität ihrer Dienstleistungen.

(Bild: heise online/Torsten Kleinz)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Mangelnde Transparenz, Werbung auf illegalen Seiten, Betrug – im Vorfeld der Branchenleitmesse dmexco hat die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) ein kritisches Bild der Lage in der Online-Werbebranche gezeichnet. In einem pünktlich zur Messe veröffentlichten Forderungskatalog drängt die Organisation, die 100 Mitgliedsunternehmen mit jährlichen Werbeetat von insgesamt 8,5 Milliarden Euro vertritt, auf Reformen. In erster Linie verlangen die Werbekunden bessere Daten um den Erfolg ihrer Kampagnen besser überwachen können.

Auf dem Online Ad Summit in Köln stießen die Forderungen teils auf Unverständnis. Bei dem Treffen der Werbebranche vor der dmexco betonten die Vertreter von Agenturen, dass die Kritikpunkte oft nicht auf den deutschen Markt zuträfen und die Verwirrung um die verschiedenen Produkte nie ganz zu beseitigen sei. So sei es aussichtlos für jede Werbe- und Kampagnenform Standards zu schaffen – die Produkte seien zu verschieden. Zudem wandten sich viele Werbekunden gezielt an Billig-Anbieter, die die Werbung dann auf eher fragwürdigen Websites ausspielten. “Wenn man sich davon leiten lässt, wie man den Tausenderkontaktpreis drücken kann, darf man da nicht überrascht sein”, erklärte Rasmus Giese, Chef von United Internet Media.

Zwar räumten die Vertreter von Vermarktern und Agenturen ein, dass die Auslieferungsketten bei der Onlinewerbung mittlerweile viel zu lang seien – Hunderte Dienstleister sind mit der Erstellung, Auslieferung und Überwachung der Werbekampagnen beschäftigt. Dies liege aber nicht unbedingt nur an der Werbebranche. So gingen die vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) definierten Werbeformen immer noch davon aus, dass so genannte Super-Banner maximal 40 Kilobyte belegen dürften. “Aber alleine die Mess-Skripte auf den Websites sind oft 100 Kilobyte groß”, beklagte Jens Pöppelmann vom Werbevermarkter IP Deutschland.

Mit diesen Skripten überprüfen Dienstleister im Auftrag der Werbekunden, wo und an wen Werbung ausgespielt wird und wie lange die Werbung beim Endnutzer sichtbar ist. Dies ist aus Sicht der Vermarkter jedoch gar nicht nötig. So sei der in den USA grassierende Klickbetrug mit Werbung in Deutschland faktisch kein Problem, betonten mehrere Teilnehmer in Köln.

Schwierigkeiten bereitet den Agenturen und Technikdienstleistern noch der Wechsel von Flash auf HTML5: Qualitativ vergleichbare Banner verbrauchen nicht nur mehr Speicherplatz, es gibt auch noch keine adäquaten Ersatz für die Reporting-Funktionen in Flash. Auf mittlere Sicht wollen die deutschen Anbieter auch die US-Standards des Interactive Advertising Bureau (IAB) übernehmen, die Werbung von 100 Kilobyte Größe zulassen – allerdings für alle Werbemittel zusammen. Positives Echo erhielt hierbei die LEAN-Initiative der IAB, die schlanke und unaufdringliche Werbung, sicher und verschlüsselt zum Kunden bringen will.

Doch welche Werbeformate für die Werbebranche zu aufdringlich sind und aus dem Markt verschwinden sollen, ist gänzlich ungeklärt. So dämpfte Marcus Veigel, Geschäftsführer von Cynapsis Interactive, die Hoffnung auf die “Clean Ads 2.0”, die sowohl bei zahlenden Kunden wie auch beim Publikum beliebt sein sollen. “Werbung muss – im Rahmen – invasiv sein”, sagte Veigel. Denn schließlich sei die Werbung der Inhalt, den ein Kunde gar nicht sehen wolle. Der Agenturchef forderte ein härteres Vorgehen der Website-Betreiber gegen Nutzer von Adblockern. “Wir müssen uns entscheiden, welches Internet wir wollen”, erklärte Veigel. Ein Internet, in dem Inhalte durch Werbung finanziert werde, sei einem von Paywalls durchzogenen Netz vorzuziehen.

Um mehr Akzeptanz beim Kunden zu erlangen, will die Branche wieder mehr Wert auf Kreation legen. So werde zwar viel Geld in Programmatic Advertising gesteckt, um bei exakt definierten Zielgruppen in Sekundenbruchteilen anzeigen zu können – vernachlässigt worden sei jedoch die Erstellung der für die Zielgruppen interessanten Inhalte. So werde dem 20-jährigen Studenten der selbe Spot ausgespielt wie der 48-jährigen Hausfrau. In Zukunft wollen die Agenturen pro Kampagne unterschiedliche Werbemittel produzieren, die die unterschiedlichen Zielgruppen besser ansprechen.

Die in Köln versammelten Vertreter der deutschen Werbebranche wollen das auf Big Data-Analysen basierende Programmatic Advertising als Qualitätsgewinn definieren – und nicht wie in den USA als Möglichkeit möglichst viele Werbemittel mit dem geringsten Aufwand. “Wir wollen Ads, die schlauer sind, die genau wissen, weshalb sie angezeigt werden und nebenbei auch das Wetter anzeigen”, betonte Veigel. (axk)