(Online)-Werkzeuge der Piratenpartei

Die Piraten wollen bereits in den eigenen Reihen den veränderten Politikstil einüben, den sie sich auch für das ganze Land wünschen: Der lange Weg zur dezentralen Demokratie und wie Online-Tools dabei helfen können.

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Von
  • dpa

Jedes Mitglied der Piratenpartei kann reden, einen Antrag stellen oder für ein Amt kandidieren. Dies macht die Abläufe auf dem Parteitag der Piraten in Neumünster sehr viel komplizierter als auf einem Parteitag der etablierten Parteien mit Delegiertensystem und einer straffen Tagesordnung. Die Piraten wollen bereits in den eigenen Reihen den veränderten Politikstil einüben, den sie sich auch für das ganze Land wünschen.

Die Piratenpartei denkt über die Möglichkeit nach, dezentrale Parteitage an vier Orten über Internet und Videoschaltungen zusammenzuführen. So könnten auch 5000 Mitglieder und mehr direkt an einer Versammlung teilnehmen, sagt der Organisationsexperte der Partei, Matthias Schrade. Er schränkt aber ein: "Der Weg zum dezentralen Bundesparteitag ist noch weit."

Das Parteiengesetz lässt eine Mitgliederversammlung im Internet durchaus zu, wie im Dezember vergangenen Jahres eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ergeben hat. Damit ein Online-Parteitag nicht völlig emotionsfrei abläuft, nennt die Studie "die Zulassung virtueller Zwischenrufe oder die Einführung eines Jubel-Buttons". Schrade meint allerdings: "Wir sehen das eher kritisch." Bei ausschließlich digitalen Abstimmungen sei das Risiko einer Manipulation nie ganz auszuschließen, wie die Diskussion über Wahlcomputer gezeigt habe. "Wir wollen den Real-Life-Parteitag nicht aufgeben", betont Schrade.

Für interne Entscheidungsprozesse setzt die Piratenpartei die Online-Plattform Liquid Feedback ein, doch deren Nutzung ist bislang noch eher begrenzt. "Es gibt beim Einsatz von Liquid Feedback zwei, drei Konfliktlinien, die noch nicht geklärt sind", so Vorstandsmitglied Bernd Schlömer. "Da ist erstens die Frage, ob man dort mit Klarnamen agieren soll oder ob es auch ein Recht auf anonyme Meinungsäußerung geben soll." Zweitens werde das Delegationsprinzip von Liquid Feedback in Frage gestellt – hier können Mitglieder ihre Stimme einem anderen übergeben, dem sie bei einem bestimmten Thema besondere Kompetenz zutrauen. Schließlich gebe es auch eine Reihe von Einzelfragen wie die Sorge, dass das System von Lobbyisten beeinflusst werden könnte, erklärt Schlömer. Er tritt dafür ein, zunächst weiter Erfahrungen zu sammeln und schließlich eine grundlegende Bewertung mit Hilfe eines externen Gutachtens vorzunehmen.

Twitter ist der wichtigste Kommunikations- und Informationskanal der Piratenpartei. Hier machen sich die Mitglieder auf neue Themen aufmerksam, verabreden sich zu Treffen, diskutieren und streiten, tauschen sich mit Interessenten jenseits der Piratenpartei aus. Auf einem Parteitag im Dezember 2011 kritisierte allerdings Sebastian Nerz als Bundesvorsitzender: "Wir wollen einen neuen Stil, und der darf nicht darin bestehen, dass wir Schimpfworte auf Twitter austragen. Ăśber Twitter und Facebook kann man einen Streit nicht beilegen."

Auf der Internet-Plattform Piratenpad mit der Software Etherpad können Texte gemeinsam bearbeitet werden, in Echtzeit, sodass alle sofort sehen können, wer welche Änderungen an einem Text vornimmt. Die Piratenpartei nutzt dies unter anderem zum Abfassen von Briefen, Protokollen oder Pressemitteilungen.

Außerdem gibt es noch virtuelle Räume wie den "Dicken Engel", angelegt auf einem Server, der die freie Sprachkonferenzsoftware Mumble nutzt. "Dicker Engel" war eine Hommage an eine Kneipe gleichen Namens in Berlin; inzwischen heißt der Raum "Erzengel". Die Mumble-Plattform wird zum Beispiel von den Arbeitskreisen der Partei für Besprechungen genutzt.

[Update]:Diskussionen (auch mit Nicht-Parteimitgliedern) führen die Piraten auch über ein klassisches Forum. Spannend daran ist, dass die Inhalte dieses Forums mit denen des News-Servers (news.piratenpartei.de, NNTP) und von Mailinglisten synchronisiert werden. NNTP ist zwar etwas aus der Mode gekommen, ermöglicht aber dank spezialisierter News-Reader oftmals eine übersichtlicheren Zugriff auf komplexe Diskussionen als Web-Foren. Wie man Zugriff auf den NNTP-Server (Syncom) bekommt, beschreiben die Piraten in Ihrem öffentlichen Wiki. (bbe)