Patentverwerter fordert Vertriebsstopp für HTC-Smartphones
Der Münchner Patentverwerter IPCom lässt seinen Worten Taten folgen und fordert HTC auf, den Verkauf von UMTS-Geräten in Deutschland umgehend zu stoppen. Der taiwanische Hersteller sieht dafür keine Grundlage.
Der deutsche Patentverwerter IPCom hat den taiwanischen Smartphone-Hersteller HTC am Montag aufgefordert, den Vertrieb von UMTS-Geräten in Deutschland umgehend einzustellen. Der Münchner Patentverwerter beruft sich auf ein inzwischen rechtskräftiges Unterlassungsurteil von 2009, demzufolge HTC ein von IPCom gehaltenes UMTS-Patent verletzt. Sollte HTC nicht Folge leisten, drohen dem Hersteller empfindliche Strafzahlungen. Der taiwanische Hersteller wiegelt ab.
HTC sieht in dem Patentstreit keine Gefahr für sein Smartphone-Geschäft in Deutschland. "IPComs ursprüngliche einstweilige Verfügung betraf nur ein HTC Smartphone, das inzwischen nicht mehr in Deutschland verkauft wird", teilte das Unternehmen am Montag mit. "Darüber hinaus hat HTC die Integration der UMTS-Standards modifiziert." Selbst eine mögliche neue einstweilige Verfügung werde "keine Auswirkungen auf den Verkauf von HTC-Smartphones in Deutschland haben".
HTC hatte in einem am Landgericht Mannheim anhängigen Patentverletzungsverfahren am Freitag seinen Einspruch kurzfristig zurückgezogen (Az. 7 O 94/08). In dem Rechtsstreit geht es um Ansprüche aus dem Europäischen Patent (EP) 1186189, das ein Verfahren zur Priorisierung von Teilnehmern in UMTS-Funknetzen beschreibt. Das ursprünglich von Bosch entwickelte Patent gehört zum UMTS-Standard. IPCom hatte es im Jahr 2007 zusammen mit zahlreichen anderen Mobilfunkpatenten von Bosch erworben. Die Patente sind auch Gegenstand eines internationalen Rechtsstreits mit Nokia.
Mit dem zurückgezogenen Einspruch wird das Mannheimer Unterlassungsurteil rechtskräftig. Das von Patent-Experte Florian Müller veröffentlichte Urteil bezieht sich allerdings nicht auf ein bestimmtes HTC-Modell, sondern untersagt dem Hersteller, "eine Teilnehmerstation […] in den Verkehr zu bringen", die Teilnehmer nach einem in dem strittigen Patent beschriebenen Verfahren priorisieren kann. IPCom hatte auf dieser Basis am Freitag angekündigt, das Urteil so schnell wie möglich vollstrecken zu wollen. "Der Urteilsspruch ist ganz eindeutig uneingeschränkt", sagte IPCom-Geschäftsführer Bernhard Frohwitter der dpa.
"Der Einspruch war gegenstandslos geworden, da das deutsche Bundespatentgericht im Vorfeld die betreffende Forderung der IPCom für ungültig erklärt hatte", erklärt HTC dazu. Das Bundespatentgericht hatte das strittige Patent zwar aufrechterhalten, die darin formulierten Ansprüche aber erheblich eingeschränkt. Gegen das Urteil läuft die Berufung beim Bundesgerichtshof. Bis zu einer Entscheidung des BGH gilt das Patent allerdings noch in seiner ursprünglich erteilten Fassung. "Wir sehen darin einen massiven Versuch, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen", sagte Frohwitter zu der Stellungnahme von HTC.
Fraglich ist auch, wie HTC eine standardisierte Technik einfach "modifizieren" kann. Es sei "sehr, sehr schwierig", eine Alternativlösung zu entwickeln, so Frohwitter. HTC habe sie seit einem Jahr angekündigt, aber nie in den Verfahren demonstriert. Eine Analyse der Umgehungslösung vor Gericht könnte die Vollstreckung zwar verzögern, IPCom rechnet aber auch in diesem Fall mit einer raschen Entscheidung. Für HTC können Verstöße gegen ein Verkaufsverbot teuer werden: Laut dem Urteil aus dem Jahr 2009 werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung bis zu 250.000 Euro fällig.
Für HTC bietet sich noch eine andere Lösung an: ein Lizenzabkommen mit IPCom. Der Patentverwerter ist verpflichtet, Lizenzen für standardrelevante Techniken zu fairen Bedingungen (Fair, Reasonable and Non Discriminatory Terms, "FRAND") zu erteilen. IPCom hatte diese Verpflichtung Ende 2009 auch gegenüber der EU-Kommission bestätigt und damals erklärt, nie andere Konditionen gefordert zu haben. Wie hoch "faire" Lizenzgebühren im konkreten Fall ausfallen können, müssen die Streithähne zur Not von einem Gericht klären lassen. (vbr)