Pilotprojekt für assistiertes Leben im Alter
Beim Telekom-Projekt "Vitalig" besteht das System im Wesentlichen aus einer einfach zu bedienenden Videotelefonie-Plattform, über die sich Senioren mit Gesundheitsdienstleistern und Angehörigen vernetzen können.
Senioren länger das Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, ist das Ziel eines neuen Pilotprojekts der Deutschen Telekom im Verbund mit der AOK Rheinland/Hamburg. Im niederrheinischen Ort Goch sollen 100 Senioren mit Bildtelefonen und speziell konfigurierten PCs ausgestattet werden, die sie im Alltag zu Hause unterstützen sollen, insbesondere im medizinischen Bereich.
Mit dem Projekt "Vitalig" will sich die Telekom als Gesundheitsdienstleister positionieren. Im Wesentlichen besteht Vitalig aus einem einfach zu bedienenden Videotelefonie-System, mit dem sich teilnehmende Senioren vor allem mit Gesundheitsdienstleistern vernetzen können. Bei dem zunächst auf zwei Jahre angesetzten Pilotprojekt sind mehrere Ärzte und Apotheken sowie ein Sanitätshaus über die Kommunikationsplattform verbunden. Die Videotelefonie soll zudem der Vereinsamung entgegenwirken, auch Angehörige können sich ein solches Gerät bestellen.
Vitalig ist explizit für Senioren gedacht, die bisher keine Erfahrung mit Computern haben. Für sie wurde ein All-in-One-PC mit Touchscreen so konfiguriert, dass er alleine als Plattform für das Kommunikationssystem dient. Ein Browser oder andere Anwendungen sind nicht zugänglich, auch normale Telefongespräche lassen sich über die Plattform nicht führen. „Wir machen bewusst kein Skype, wir machen bewusst kein Amazon“, erklärte Axel Wehmeier, Leiter des strategischen Geschäftsbereichs Gesundheit bei der Deutschen Telekom am Montag in Goch. Damit soll die Hemmschwelle für die Senioren möglichst gesenkt werden.
So müssen die Inhaber nur den Bildschirm berühren, um mehrere Schaltflächen zur Kommunikation mit den Dienstleistern oder angeschlossenen Familienmitgliedern zu erreichen. Auf einmalige Berührung baut das Gerät die Videoverbindung auf. Auch ein rudimentäres Shop-System ist enthalten, mit dem die Teilnehmer direkt in Apotheken oder im Sanitätshaus Waren bestellen können. Im Verlauf des Projekts sollen weitere Anbieter wie Getränkelieferanten hinzu kommen, die den Kunden ihre Ware ins Haus liefern.
Für die AOK ist das Projekt eine Möglichkeit, eventuelle Kostenersparnisse zu erforschen. Wenn Senioren im eigenen Haus statt in einem Pflegeheim wohnen, fallen deutlich weniger Kosten zur gesundheitlichen Versorgung an. Diese Ausgaben können durch die zunehmende Alterung der Gesellschaft enorm steigen. Die Krankenkasse kalkuliert, dass alleine im Kreis Kleve, zu dem Goch gehört, 2030 ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sei. Für die Telekom hingegen ist das Projekt eine Möglichkeit, für die Kunden mehr darzustellen als nur der Lieferant für Kommunikationsleitungen. Mit der proprietären Plattform will der Konzern möglichst ein Rundum-Angebot für Senioren schaffen.
Mit dem Konferenzsystem alleine ist den Senioren jedoch kaum geholfen – notwendig ist eine auf die Bedürfnisse der Senioren abgestimmte Infrastruktur. Die Stadt Goch wurde ausgewählt, weil dort bereits viele Dienstleistungen für Senioren angeboten werden: vom städtischen Seniorentelefon bis hin zu Dienstleistern, die Senioren beim Schneeräumen unterstützen. Die AOK steuert eine Telefonberatungsstelle hinzu, die rund um die Uhr erreichbar ist.
Momentan unterstützt das Projekt nur speziell für die Plattform vorkonfigurierte Geräte, die zu keinem anderen Zweck dienen: Neben dem All-In-One-PC und einem Videotelefon unterstützt Vitalig auch das Android-Tablet Zoom von Motorola. In Zukunft will die Telekom aber auch Client-Lösungen für iPad, iPhone und Windows entwickeln, so dass Angehörige keine separate Hardware anschaffen müssen, um mit den Senioren zu kommunizieren. Die Kommunikation erfolgt dabei über eine Telekom-Plattform. Da medizinisch sensible Daten übermittelt werden, baut der Konzern auf eine verschlüsselte Verbindung, die auf dem Standard SRTP aufbaut.
Voraussetzung für die Teilnehmer ist ein Breitband-Anschluss mit mindestens sechs Megabit pro Sekunde. In der ersten Phase wurde das Pilotprojekt auf den Ortskern von Goch beschränkt, wo nach Angaben der Telekom die Verbindungsgeschwindigkeit sehr gut ist. Da jedoch gerade in ländlichen Orten der Bedarf für Hilfssysteme für Senioren hoch ist, will der Konzern in Zukunft die Lösung auch für den Betrieb über die Funktechnik LTE aufrüsten. (vbr)