Piraten wählen neue Landesvorstände in Bayern und Berlin

Die Berliner Piratenpartei hat ihren früheren Vorsitzenden wieder, und in Bayern bestätigten die Mitglieder auf einem Landesparteitag ihren Vorsitzenden Stefan Körner im Amt.

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Von
  • Tim Gerber

Gerhard Anger ist neuer Oberpirat in Berlin. Der 36-Jährige setzte sich am Samstag auf einem Parteitag der Berliner Piratenpartei mit deutlicher Mehrheit von 79,7 Prozent gegen sieben Konkurrenten für den Landesvorsitz durch. Damit rückt der Leitende Angestellte einer Software-Entwicklungsfirma nach sechs Monaten erneut an die Spitze der Hauptstadt-Piraten. Vorgänger Hartmut Semken war nach nur drei Monaten wegen diverser Affären zurückgetreten. Anger ist als Landesvorsitzender für die nächsten 400 Tage gewählt.

Beim Parteitag Ende Februar hatte Anger die Piraten durch seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur überrascht. "Ich ertrage diese emotionale Belastung nicht mehr", sagte er damals. Danach war er so gefrustet, dass er nach eigenem Bekunden kurz vor dem Parteiaustritt stand. Er sei vor allem so enttäuscht über die Arbeit der Fraktion gewesen, dass er eigentlich nur den Rat geben könne, die Piraten nicht mehr zu wählen, sagte Anger in verschiedenen Interviews.

Dem Fiasko um Semken folgte die Kehrtwende. Anger begründete seine Bewerbung vor allem damit, dass die Piraten sich besser organisieren müssten. Er empfahl seiner Partei einen dritten Weg zwischen Weiterwursteln wie bisher (twittern, bloggen, Dinge im Wiki verstecken) und Anpassung an die etablierten Parteien. Anger will alle Informationen über die Piratenpartei "nachvollziehbar und unmittelbar veröffentlichen und so was wie OpenGovernment machen."

Er wolle aber nicht gewählt werden, wenn von ihm als Chef erwartet werde, dass er seine Familie, seine Freunde und seinen Beruf ständig vernachlässige, hatte Anger vor seiner Wahl gesagt. Auch eine "24-Stunden-Rundumbetreuung" werde er nicht bieten. Dass der Vorstandsjob kein Zuckerschlecken ist, machten die fünf entlasteten Vorstandsmitglieder in ihren Rechenschaftsberichten deutlich.

Semken übte deutliche Selbstkritik. "Ja, ich habe Scheiße gebaut", sagte er mehrfach in seinem kurzen Rechenschaftsbericht. Er ging allerdings inhaltlich nicht auf seine Fehler ein. Er war wegen diverser Affären und heftig kritisierter Äußerungen zum Umgang mit Rechtsradikalen in der Piratenpartei zurückgetreten.

Von technischen Pannen begleitet war der Landesparteitag der bayerischen Piraten im oberpfälzischen Maxhütte-Haidhof: Anfänglich funktionierte die Netzanbindung nicht. Umfragen hatten die Piraten im Freistaat zuletzt bei sieben oder acht Prozent gesehen. Würde der Partei das auch im Herbst 2013 gelingen, könnte dies Folgen für die Koalitionsbildung haben: Das von der SPD angestrebte Dreierbündnis mit Grünen und Freien Wählern wäre damit nicht möglich. Die Piraten haben bereits angeboten, ein solches Bündnis gegebenenfalls zu dulden. "Ich werde mich nicht hinstellen und sagen, was meine politischen Vorstellungen sind", sagte Landeschef Körner, der beim Parteitag mit 65,9 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurde – bei drei Gegenkandidaten. "Die Basis entscheidet – und fertig."

Im Laufe des Parteitages kristallisierten sich wenige klare Punkte heraus: Die bayerischen Piraten sind für Transparenz, gegen Hartz IV und tendenziell für den Mindestlohn. Vorstandskandidat Jörg Blumtritt spricht sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, Amtsinhaber Körner hält nicht viel davon. Das einzig wirklich landespolitische Thema sind Studiengebühren. Die Piraten sind dagegen.

(Kirsten Baukhage, dpa/Britta Schultejans, dpa) (tig)