Polizei kapert Server der Piratenpartei

Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Paris wurden am Freitag etliche Server der Piratenpartei Deutschland offline genommen. Grund waren offenbar problematische Inhalte beim kollaborativen Textdienst Piratenpad.

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Von
  • Johannes Haupt

Die Darmstädter Staatsanwaltschaft hat am Freitagmorgen zahlreiche Server der Piratenpartei bei einem Hoster in Offenbach beschlagnahmen lassen. Etliche Websites und Online-Dienste der Partei sind seither offline. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage von heise online, die Beschlagnahmung sei in Amtshilfe für französische Behörden erfolgt, die Ermittlungen führe die Staatsanwaltschaft Paris. Die Darmstädter Behörde macht zum Hintergrund der Ermittlungen darüber hinaus keine Angaben.

Die Ermittlungen stünden wohl im Zusammenhang mit dem von der Piratenpartei betriebenen kollaborativen Textdienst Piratenpad, erklärte der neue Parteivorsitzende Sebastian Nerz gegenüber heise online. Der Online-Service ermöglicht Anwendern die gemeinschaftliche Bearbeitung von Dokumenten in öffentlichen oder geschlossenen Gruppen. Die Polizei habe zur Sicherung von Beweisen allerdings gleich alle Server der Partei mitgehen lassen.

Die französischen Behörden hätten das Piratenpad bei Ermittlungen gegen Netzaktivisten ins Visier genommen, erklärte Nerz. Dabei gehe es möglicherweise um Aktivitäten der nicht zentral organisierten Online-Aktivisten von Anonymous.

In einer ersten Stellungnahme bemängelte der Parteivorstand eine fehlende Verhältnismäßigkeit: Obgleich nur ein einzelner Dienst betroffen sei, wäre durch die Mitnahme aller Server die technische Infrastruktur der Partei massiv geschädigt worden. Auch durch die am kommenden Sonntag anstehenden Landtagswahlen in Bremen sei der politische Schaden immens. Die Partei möchte nun juristisch prüfen lassen, ob die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung rechtlich einwandfrei gewesen ist.

[Update: Zu den Gründen des Rechtshilfegesuchs aus Paris gibt es unterschiedliche Spekulationen. heise online erfuhr aus deutschen Anonymous-Kreisen, die Organisation habe über das Piratenpad offenbar DDos-Angriffe auf den französischen Energiekonzern EDF abgestimmt. Weiterhin ist die Rede von Informationen zu neuen französischen Kernkraftwerken, die auf piratenpad.de verbreitet worden sein sollen.

Die Online-Angebote des BKA und der Polizei waren am Freitagnachmittag für mehrere Stunden nicht oder nur schlecht erreichbar. Ob es sich dabei um eine Aktion von Anonymous-Mitgliedern handelte, ist noch unklar – einen Aufruf der Organisation zum gemeinschaftlichen Angriff auf die Seiten gab es bislang nicht.

Unterdessen hat die Etherpad Foundation, deren Software auf piratenpad.de zum Einsatz kam, die Beschlagnahmung der Server am Freitag Nachmittag in einem Blogeintrag kritisiert. Die Plattform sei auch zur Diskussion der Proteste in Spanien genutzt worden, die vorübergehende Abschaltung gebe aus freiheitlicher Sicht Grund zur Besorgnis. Durch die offene Konzeption der Software könnten zudem in allen Etherpad-Installationen problematische Inhalte publiziert werden, die ähnliche polizeiliche Ermittlungen zur Folge haben könnten wie bei der Piratenpartei. Die Website der Piratenpartei ist inzwischen wieder zugänglich.]

[2. Update: Am Freitagabend erklärte die Piratenpartei in Berlin, nach Angaben der Ermittlungsbehörden sei über den Dienst piratenpad.de ein SSH Key zum Angriff auf die Website von EDF veröffentlicht worden. Die Partei prüfe nun, ob mit der Abschaltung aller in Offenbach gehosteter Dienste im Hinblick auf die Landtagswahl in Bremen das Grundrecht auf politische Willensbildung verletzt worden sei. Von den Angriffen auf die Websites von Polizei und BKA distanzierten sich die Piraten ausdrücklich.] (jh)