Prozess gegen Ex-Siemens-Vorstand wegen Schmiergeldskandal beginnt
Über Jahre hinweg schleuste Siemens rund 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle, um an lukrative Aufträge im Ausland zu gelangen. Ab Dienstag muss sich ein ehemaliges Vorstandsmitglied dafür vor Gericht verantworten.
Er gilt als der Unbeugsame. Wenn am Dienstag vor der Wirtschaftsstrafkammer des Münchner Landgerichts der Prozess gegen den ehemaligen Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt beginnt, muss sich erstmals ein einstiges Mitglied der höchsten Führungsetage des Dax-Konzerns wegen des Schmiergeldskandals verantworten. Der 50-Jährige Ex-Manager wird nicht wie andere Siemens-Führungskräfte im Gegenzug zur Zahlung von Strafbefehlen einer langwierigen Gerichtsverhandlung entgehen.
Ganswindt will ganz im Gegenteil öffentlich für den Beweis seiner Unschuld kämpfen. Seinem einstigen Arbeitgeber Schadenersatz zu zahlen, wie dies seine ehemaligen Chefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld taten, schließt er ebenfalls aus.
Ursprünglich wollte das Gericht Ganswindt bereits im Januar wegen Steuerhinterziehung und vorsätzlicher Verletzung der Aufsichtspflicht den Prozess machen. Doch der erste Verhandlungstag war bereits nach wenigen Minuten vorbei. Der Prozess wurde unterbrochen. Ganswindts Anwälte monierten erfolgreich, dass die Wirtschaftsstrafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern besetzt war. Zu wenig angesichts der Komplexität des Verfahrens, argumentierten sie.
Tatsächlich ist der Sachverhalt, den nun drei Berufsrichter klären sollen, reichlich verzwickt. Die Staatsanwaltschaft wirft Ganswindt nämlich nicht vor, dass er selbst bestochen habe. Wäre der damalige Vorstand der Telekommunikationssparte jedoch "den Anhaltspunkten für Korruptionstaten nachgegangen und hätte entsprechende disziplinarische Maßnahmen ergriffen", dann, so folgert die Staatsanwaltschaft, wären weder schwarze Kassen geführt noch Bestechungen möglich gewesen. Zumindest aber wäre deren Durchführung "wesentlich erschwert" worden, heißt es in der Anklageschrift.
Eine Argumentation, die Ganswindts Anwalt Kurt Bröckers nicht nachvollziehen kann. "Bislang wurden eine ganze Reihe entlastender Umstände nicht berücksichtigt", kritisiert er. Diverse betriebsinterne Untersuchungen hätten zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf Korruption ergeben.
Konkret geht es der Staatsanwaltschaft zum Beispiel um an russische Auftraggeber 2003 geschenkte Computer für ein Museum oder indirekte Zahlung hoher Summen an Minister, Rechtsberater und andere wichtige Entscheidungsträger in Nigeria. Die Anklagebehörde macht Ganswindt zudem "mittelbar" dafür verantwortlich, dass dem deutschen Staat Steuergelder entgingen, weil Siemens Gelder für fingierte Beraterverträge als Betriebsausgaben von der Steuer absetzte.
Insgesamt soll Siemens über Jahre hinweg rund 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle geschleust und als Schmiergeld eingesetzt haben, um im Ausland an lukrative Aufträge zu gelangen. Der größte Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte kostete den Konzern rund 2,5 Milliarden Euro, unter anderem an Strafzahlungen, Anwalts- und Beraterkosten. (ad)