Prozess gegen Wikileaks-Whistleblower Manning: Gericht sucht nach dem StrafmaĂź
Anklage und Verteidigung präsentieren vor der Richterin neue Aussagen und Personen, die die Schwere der Schuld bezeugen oder Bradley Manning entlasten können.
Nach der Urteilsverkündung durch US-Militärrichterin Denise Lind hat am Mittwoch in Fort Meade die Findungsphase mit der Verhandlung über das Strafmaß begonnen. Anklage und Verteidigung präsentieren vor der Richterin neue Aussagen und Personen, die die Schwere der Schuld bezeugen oder Manning entlasten können. Rund 40 Zeugen sind nominiert, etliche müssen unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen.
Verhandelt wird jetzt auch, ob Manning bestimmte Strafen gleichzeitig verbĂĽĂźen kann, die dann nicht zur Gesamtstrafe addiert werden. Ist die Findungsphase vor der Richterin beendet, muss sie sofort das StrafmaĂź verkĂĽnden.
Zum Auftakt des neuen Verhandlungsteils, in dem Manning nicht mehr "der Beschuldigte" ist, wurde der ehemalige US-Brigadegeneral Robert Carr gehört, früher Leiter der Geheimdienst-Koordination der US-Armee. In dieser Position verantwortete Carr die Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten, aber auch mit ausländischen Diensten aller Art. Er wurde gefragt, welchen Einfluss die Veröffentlichung der von Manning übergebenen Unterlagen durch Wikileaks hatte. Carr schätzte den Vorgang als eine Art Präzedenzfall ein, für den es kein "Drehbuch" gebe: "An Wikileaks ist überhaupt nichts normal."
Vom Ankläger Major Ashden Fein befragt, ob durch die Veröffentlichungen der "War Logs" aus dem Irak und Afghanistan Personen getötet wurden, sagte Carr, dass ein afghanischer Bürger nach Veröffentlichung durch Wikileaks getötet wurde. Im anschließenden Kreuzverhör mit Verteidiger David Coombs musste Carr diese Aussage relativieren, dass seine Einschätzung auf einer Taliban-Meldung über die "erfolgreiche Tötung eines Verräters" beruht. Die Richterin ermahnte daraufhin beide Seiten, dass sie Taliban-Aussagen nicht zur Kenntnis nehme, da sie nicht überprüfbar seien.
Nach Carr sagte HUMINT-Experte John Kirchhofer aus, im US-Verteidigungsministerium Leiter der Information Review Task Force (IRTF), die den Einfluss der Wikileaks-Veröffentlichungen auf die internationale und amerikanische Öffentlichkeit analysierte. Zeitweilig waren nach seinen Angaben 300 Mitarbeiter in der IRTF tätig. Kirchhofer berichete, dass einige Verbündete "sehr gereizt" reagiert hätten. Die weitere, detaillierte Aussage zur Wikileaks-Analyse von Kirchhofers Team wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt. Weitere 18 Zeugen der Anklage sollen noch in dieser Woche gehört werden. (anw)