Robotersegeln: Die Route entscheidet
Für einen erfolgreichen Turn über den großen Teich reicht ein gutes Boot allein nicht aus. Entscheidend ist auch die Auswahl der richtigen Route über den Atlantik.
Bei der vierten World Robot Sailing Championship (WRSC) in Lübeck haben am Mittwochnachmittag die Wettbewerbe begonnen. Bevor die Robotersegler auf der vergleichsweise friedlichen Wakenitz vorgegebene Wegpunkte ansteuerten oder möglichst präzise eine Position hielten, wurden auf der begleitenden wissenschaftlichen Konferenz aber noch einmal größere Perspektiven diskutiert.
Denn das große Ziel des autonomen Segelns ist nach wie vor die Überquerung des Atlantiks. Im Rahmen der Microtransat Challenge soll dafür bereits im kommenden September ein erneuter Versuch unternommen werden. Einen genauen Starttermin gibt es nicht, schließlich müssen die Teilnehmer die Chance haben, günstige Winde abzuwarten. Aber irgendwann zwischen 31. August und 30. September muss jedes teilnehmende Boot die Startlinie auf 7 Grad 30 Minuten West zwischen dem 48. und 51. Grad nördlicher Breite überqueren. Die Ziellinie liegt in der Karibik: Es ist der 60. Längengrad West zwischen dem 10. und 25. nördlichen Breitengrad. Wer es am schnellsten dorthin schafft, hat gewonnen.
Für den erfolgreichen Turn über den großen Teich reicht ein gutes Boot allein aber nicht aus. Das hoben mehrere Teilnehmer der Konferenz hervor. Entscheidend ist auch die richtige Route. Colin Sauze von der walisischen University of Aberystwyth etwa stellte das nur 72 Zentimeter lange und vier Kilogramm schwere Boot MOOS (Miniature Ocean Observing Platform) vor, mit dem die Fahrt über den Atlantik gelingen könnte. Allerdings nicht von Großbritannien oder Irland aus, sondern von Portugal. Die dort herrschenden Meeresströmungen könnten helfen, dass von vier oder fünf gleichzeitig startenden Booten wenigstens eins den amerikanischen Kontinent erreicht.
Die Boote sollen mit zwei starren Segeln, ähnlich einem Flugzeugflügel, ausgestattet werden und ohne Ruder navigieren. Das sorge für eine größere Robustheit, erläutert Sauze. Dennoch bleibe das Vorhaben mit einem so kleinen Boot ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Immerhin ließe sich der Verlust zumindest finanziell verschmerzen: Die Kosten für die Bauteile liegen pro Boot bei 500 britischen Pfund, die Montage lässt sich in zwei Wochen bewerkstelligen.
Paul Miller von der US Naval Academy will erst starten, wenn die Erfolgsaussichten bei 90 Prozent liegen. Allerdings nicht im Rahmen der Microtransat Challenge, denn den Startpunkt bei Irland hält er, ähnlich wie Sauze, für ungünstig. Miller hat etwa 68 verschiedene Routen über den Atlantik hinsichtlich verschiedener Kriterien geprüft: Windverhältnisse, Strömungen, Eis, Wolkenbedeckung, Sturmwahrscheinlichkeit und Verkehrsdichte. Diese Daten wiederum wurden mit Bootseigenschaften wie etwa der Segelfläche kontrontiert und mithilfe eines Velocity Prediction Program (VPP) abgeschätzt, ob ein Boot zum Beispiel gegen Strömungen bestehen könnte.
Miller kam zu dem Ergebnis, dass für eine Atlantiküberquerung im Juli die Route von Neufundland nach Irland am aussichtsreichsten wäre. Im November dagegen empfiehlt es sich, von den Kanarischen Inseln nach Antigua zu segeln. "Das entspricht auch den Routen der Handelsschiffe, die früher im Rahmen des Dreieckshandels über den Atlantik gesegelt sind", sagt Miller. Nach Verbesserungen am Bootsdesign liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit auf der Südroute bereits bei 58 Prozent, die Nordroute bei 80 Prozent.
"Wir starten, wenn wir 90 Prozent erreicht haben", kündigt Miller an. Er rechnet damit, dass die Erfolgsaussichten im Süden eher diesen Wert erreichen als im Norden, wo sich die Gefährdung durch Eis und schlechtes Wetter nicht wegrechnen lässt. Dennoch wird das Boot der US Naval Adacemy wahrscheinlich von Neufundland aus starten. "Dort können wir mit dem Auto hinfahren", sagt Miller. "Der Transport des Bootes zu den Kanarischen Inseln würde dagegen ungefähr 20.000 Dollar kosten."
Mindestens ein Team will die Atlantiküberquerung aber schon im September wagen. Die "Breizh Spirit" von der französischen technischen Hochschule ENSTA-Bretagne, deren Entwicklung vor drei Jahren begonnen wurde, liege mittlerweile in der dritten Version vor, berichteten Mitglieder des Teams. Im Juni habe das Boot Tests bei Windgeschwindigkeiten von 35 Knoten erfolgreich absolviert. Theoretisch könne es bis zu 10 Knoten schnell segeln. Das war allerdings nur in Videos zu sehen. Bei der WRSC tritt das Boot nicht an. (vbr)